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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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den Beifahrersitz und zog eine Schachtel Zigaretten heraus.
    »Du heißt Egill, nicht wahr?«
    »Ja doch.«
    »Hast du was dagegen, wenn ich mir auch eine anstecke?«, fragte Erlendur und zog eine Zigarette aus der Packung.
    Egills Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Erlendur wusste nicht, wie er sie zu interpretieren hatte.
    »Unsereins wird ja nirgends mehr geduldet«, bemerkte der Werklehrer.
    Erlendur zündete sich die Zigarette an. Beide saßen eine Weile schweigend da und genossen es zu rauchen.
    »Du bist natürlich wegen des Jungen hier?«, fragte Egill schließlich. Er war um die fünfzig, ein vierschrötiger Typ mit großer Nase und vorspringenden Wangenknochen, für den es, massiv wie er war, nicht besonders bequem war, sich auf den Fahrersitz zu klemmen. Seine Glatze kompensierte er mit einem Bart. Wenn er die Zigarette zum Mund führte, verschwand sie fast völlig in seinen Pranken. Ganz oben auf der Glatze thronte eine ziemlich große rosa Beule, die Erlendur heimlich beäugte, wenn er sicher war, dass Egill es nicht bemerkte. Die Beule faszinierte ihn, ohne dass er wusste, warum.
    »War er gut im Werkunterricht?«, fragte Erlendur.
    »Eigentlich ja«, antwortete Egill und streckte die Hand aus, um die Zigarette im Aschenbecher auszudrücken. Dabei knackten seine Knochen. »Wisst ihr schon, was im Einzelnen passiert ist?«
    »Nein«, sagte Erlendur, »außer, dass er hier unweit der Schule erstochen wurde.«
    »So langsam dreht hier in dieser Gesellschaft jeder durch«, brummte Egill. »Und ihr tut nichts dagegen. Ist das womöglich ein spezifisch isländisches Phänomen, diese Nachlässigkeit gegenüber Verbrechern, kannst du mir das sagen?«
    Erlendur war sich nicht sicher, worauf der Werklehrer hinauswollte.
    »Ich habe vor Kurzem in der Zeitung gelesen«, fuhr Egill fort, »dass irgendwelche Wahnsinnigen, weil sie irgendwem einen geringfügigen Geldbetrag schuldeten, bei Leuten in die Wohnung eingedrungen sind, dort alles demoliert und den Hausherrn brutal zusammengeschlagen haben. Sie wurden dabei geschnappt, nach dem Verhör wurden aber alle wieder freigelassen! Das ist doch totaler Schwachsinn!«
    »Ich …« Erlendur kam gar nicht dazu, ihm zu antworten. »Derartige Typen müssten sofort hinter Schloss und Riegel gebracht werden, wenn man sie gefasst hat«, fuhr Egill fort. »Wenn sie so auf frischer Tat ertappt werden oder ein Geständnis ablegen, müssten sie doch unverzüglich verurteilt werden. Die müssten mindestens zehn Jahre hinter Gitter, aber ihr lasst sie einfach wieder laufen, als sei gar nichts vorgefallen. Da muss es einen ja nicht wundern, wenn hier alles zum Teufel geht! Weshalb kriegen solche Gewohnheitsverbrecher stets und ständig so milde Urteile? Woran liegt es eigentlich, dass man in unserer Gesellschaft diesem kriminellen Gesocks gegenüber so duldsam ist?«
    »So sind die Gesetze«, sagte Erlendur, »die sind immer auf der Seite von solchen Leuten.«
    »Dann muss man die Gesetze ändern«, erklärte Egill aufgebracht.
    »Ich habe gehört, dass du etwas gegen Ausländer hast«, sagte Erlendur, der nicht zum ersten Mal zu hören bekam, was für milde Urteile gefällt wurden und wie glimpflich Gewalttäter davonkamen.
    »Wer sagt, dass ich was gegen Ausländer habe?«, fragte Egill und klang verwundert.
    »Niemand Spezielles«, sagte Erlendur.
    »Ist es wegen der Versammlung neulich?«
    »Versammlung?«
    »Ich habe mir erlaubt, eine Lanze für Jónas Hallgrímsson zu brechen. Irgendjemand aus einer bestimmten Jahrgangsstufe hat bei einer Elternversammlung vorgeschlagen, hier an der Schule die ersten Strophen von ›
Ísland, farsælda Frón
/Island, liebliches Land‹ mit den Kindern zu singen, da sie gerade Jónas durchnahmen. Manchmal wird ja auch was Vernünftiges hier an der Schule unterrichtet. Daraufhin empörten sich einige Eltern und fragten, ob hier an unserer Schule keine Rücksicht auf Schüler mit Migrationshintergrund genommen würde. Als ob es rassistisch wäre, isländische Lieder zu singen! Daraus entwickelte sich eine Diskussion, bei der ich auch das Wort ergriffen und gefragt habe, ob diese Leute eigentlich eine Ahnung hätten, wovon sie redeten, ich glaube, ich habe das genauso ausgedrückt. Deswegen haben sich einige beim Rektor über mich beschwert. Sie empfanden das als eine Unverschämtheit. Das hat mir der alte Leisetreter zitternd und schlotternd gesagt. Ich habe ihm vorgeschlagen, er solle mir doch einfach kündigen, ich hätte hier mehr als ein

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