Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
Vom Netzwerk:
direkt kriminell sind. Es spielt auch keine Rolle, ob sie aus Europa oder Asien kommen. Wir brauchen diese Menschen, und es bereichert unser Leben. Kjartan will das Land völlig abschotten. Darüber sind wir uns in die Haare geraten, allerdings war er auch ungewöhnlich reizbar.«
    »Wann war das?«
    »Gestern Morgen. Wir streiten uns ständig. Wir brauchen uns kaum anzusehen, und schon sprühen die Funken.«
    »Seid ihr oft aneinandergeraten?«
    Finnur nickte. »Lehrer sind im Allgemeinen sehr für Gleichberechtigung, etwas anderes kommt für sie nicht infrage. Sie achten auch darauf, dass unter den Schülern keine Diskriminierungen stattfinden. Darum sind wir immer bemüht, und es ist sozusagen allen Lehrern eine heilige Pflicht.«
    »Aber Kjartan ist da eine Ausnahme, oder?«
    »Er ist einfach unerträglich. Man sollte ihn eigentlich beim Schulamt anzeigen. Solche Lehrer wie er haben an der Schule nichts zu suchen.«
    »Ist …?«, setzte Elínborg an.
    »Es hängt wahrscheinlich mit meinem Bruder zusammen«, unterbrach Finnur sie. »Er ist mit einer Thailänderin verheiratet, deswegen verhält sich Kjartan mir gegenüber so. Mein Bruder hat vor acht Jahren eine Frau in Thailand kennengelernt. Sie haben zwei Töchter und sind die besten Menschen, die ich kenne. Deswegen nehme ich mir die Sache wahrscheinlich auch so zu Herzen. Ich ertrage es nicht, wie er redet, und das weiß er.«

Zehn
    Als Erlendur aus Egills Auto stieg, klingelte sein Handy. Es war die Dolmetscherin Guðný, die jetzt wieder bei Sunee war. Erlendur hatte sie gebeten, Sunee Tag und Nacht zur Seite zu stehen und ihn anzurufen, sobald etwas geschähe. Niran war nach einer schwierigen Nacht aufgewacht, und sein Zustand war unverändert. Er weigerte sich immer noch, mit jemandem zu reden. Sunee verlangte, dass man ihn in Ruhe ließe. Sie wollte nicht, dass er von irgendwelchen Psychologen umgeben war, und verbat sich solche Besuche. Ebenso wenig wollte sie, dass die Polizei bei ihr aus und ein ging. Erlendur sagte, er würde vorbeischauen, und beendete das Gespräch.
    Elínborg und Sigurður Óli trugen immer noch Informationen der Klassenkameraden über Elías zusammen, als Erlendur das Schulgebäude wieder betrat. Er hörte ihnen eine Weile zu. Allem Anschein nach brachten die Kinder alle möglichen Anschuldigungen gegeneinander vor, aber nur wenig davon schien direkt etwas mit Elías zu tun zu haben. Einer hatte zwei Mädchen auf den Arm genommen, ein anderer durfte beim Fußball nicht mit dabei sein, einer hatte einem Jungen mit solcher Wucht einen Schneeball verpasst, dass der losheulte. Sigurður Óli blickte in Erlendurs Richtung und gab ihm zu verstehen, dass er mit so etwas also nun seine Zeit verbrachte. Die Kinder waren verängstigt wegen Elías’ Schicksal, einige weinten.
    Erlendur setzte sich mit dem Chef des Rauschgiftdezernats in Verbindung und bat ihn darum, sich die Akten mit den Drogendelikten genauer anzusehen, die in dem Viertel vorgefallen waren und möglicherweise in irgendeiner Form mit dieser Schule in Verbindung standen.
    Der Rektor sah wirr und ungepflegt aus und schien in der Nacht nicht gut geschlafen zu haben. Vor seinem Büro hatten sich diejenigen eingefunden, die mittags in der Aula zu den Kindern sprechen würden, Vertreter der Kirche, des Elternverbands und der Polizei. Sie scharten sich um den Rektor, der aber die Lage nicht im Griff zu haben schien. Als seine Sekretärin erschien und erklärte, dass er einige wichtige Telefonanrufe beantworten müsse, wehrte er sie mit einer Handbewegung ab. Erlendur sah sich die Leute an und zog sich zurück. Er folgte der Sekretärin und erfuhr von ihr, wo Nirans Klassenlehrer zu finden war.
    Die Sekretärin schaute Erlendur, der vor ihr stand, unschlüssig an.
    »Sonst noch etwas?«, fragte sie.
    »Würdest du sagen, dass diese Schule hier multikulturell ausgerichtet ist?«, fragte er schließlich.
    »Das kann man vielleicht so ausdrücken«, sagte die Sekretärin. »Rund zehn Prozent der Schüler sind ausländischer Abstammung.«
    »Und damit sind im Prinzip alle zufrieden?«
    »Es klappt alles sehr gut.«
    »Gibt es gar keine Probleme deswegen?«
    »Nichts, was der Erwähnung wert wäre, das glaube ich zumindest«, fügte sie wie entschuldigend hinzu.
    Nirans Klassenlehrerin war eine Frau um die dreißig, die genau wie die anderen ganz offensichtlich schockiert war. In der Öffentlichkeit wurde bereits über die Situation der Zuwanderer und die Verantwortung der

Weitere Kostenlose Bücher