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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Gemeinschaft ihnen gegenüber diskutiert, und zahlreiche Experten ließen sich darüber aus, was in dieser Hinsicht bereits erreicht und was noch zu tun wäre, damit sich dergleichen nicht wiederholen würde. Man suchte nach denen, die die Verantwortung trugen: Hatte das System gegenüber den Zuwanderern versagt? War das vielleicht nur der Anfang von etwas Größerem? Man sprach von unterschwelliger Ausländerfeindlichkeit, die zum Ausbruch gekommen sei, und dass man darauf mit verstärkter Diskussion und Aufklärung reagieren müsse. In diesem Zusammenhang sei vor allem der Schulunterricht besser zu nutzen, denn hier könne man über Vorurteile reden und sie so aus der Welt schaffen.
    In Nirans Klasse war der Unterricht in vollem Gang, als Erlendur an die Tür klopfte. Er entschuldigte sich für die Störung. Die Lehrerin sah ihn mit einem schwachen Lächeln an. Sie wusste gleich, worum es ging, und bat um einen Augenblick Geduld. Kurz darauf kam sie auf den Korridor hinaus und stellte sich vor, sie hieß Edda Brá. Ihre kleine Hand verschwand in Erlendurs großer, als sie ihn mit ernster Miene begrüßte. Sie hatte kurz geschnittene, dunkle Haare und trug Jeans und einen dicken Pullover.
    »Ich weiß eigentlich kaum, was ich über Niran sagen soll«, erklärte sie ohne Umschweife, als hätte sie die Kriminalpolizei früher oder später erwartet. Vielleicht wollte sie das Ganze aber auch nur so schnell wie möglich hinter sich bringen. Die Klasse wartete auf sie.
    »Niran kann schwierig sein, und manchmal muss ich mich gesondert mit ihm befassen«, fuhr sie fort. »Er ist kaum imstande, Isländisch zu schreiben, und auch beim Sprechen hapert es sehr, deswegen ist es schwierig, mit ihm in Kontakt zu kommen. Er macht so gut wie wie nie Hausaufgaben und scheint nicht das geringste Interesse am Lernen zu haben. Ich habe seinen Bruder zwar nie unterrichtet, aber soweit ich weiß, war er ein äußerst lieber Junge. Niran ist anders, er schafft es, alle anderen Jungen gegen sich aufzubringen, und dann kommt es häufig genug zu Prügeleien. Zuletzt vorgestern. Ich weiß, wie schwierig es für Kinder ist, die Schule zu wechseln, und er hat von Anfang an Probleme gehabt.«
    »Er ist mit neun Jahren nach Island gekommen, und ihm ist es nicht richtig gelungen, sich hier einzuleben«, sagte Erlendur.
    »Damit steht er nicht allein«, sagte Edda. »Diejenigen, die schon in fortgeschrittenem Alter hierherkommen, tun sich sehr schwer und finden sich nicht zurecht.«
    »Was ist denn da vorgestern passiert?«, fragte Erlendur.
    »Du solltest vielleicht mit dem anderen Jungen reden.«
    »Ist das ein Junge aus seiner Klasse?«
    »Die Kinder haben heute Morgen darüber geredet«, sagte Edda. »Dieser Junge kommt aus problematischen Verhältnissen und hat hier in der Schule immer wieder Schwierigkeiten gemacht. Er und andere haben sich mit Niran und seinen Freunden angelegt. Rede du mit ihm und bring in Erfahrung, was er zu sagen hat, ich bekomme nichts aus ihm heraus. Er heißt Guðmundur und wird ›Gummi‹ genannt.«
    »Warum nicht«, sagte Erlendur.
    Edda Brá ging in das Klassenzimmer zurück und kam kurze Zeit später mit einem Jungen im Schlepptau wieder heraus, den sie vor Erlendur hinstellte. Erlendur war sehr beeindruckt, wie entschlossen sie vorging. Sie verschwendete keine Zeit auf überflüssiges Gerede, sie wusste, was Sache war und wie man etwas anpacken musste. Edda Brá, dachte er, was für ein Name ist das eigentlich?
    »Du hast gesagt, ich würde mein Handy wiederbekommen«, sagte das Bürschlein wehleidig und sah Erlendur an. »Das ist das Einzige, was diese Kinder verstehen«, sagte Edda Brá und sah Erlendur an. »Ich wollte nicht vor der ganzen Klasse herausposaunen, dass die Kriminalpolizei etwas von ihm will. Da wären bestimmt alle ausgeflippt, so, wie die Dinge liegen. Sag mir Bescheid, wenn ich noch etwas für dich tun kann«, fügte sie hinzu, und mit diesen Worten ging sie zurück ins Klassenzimmer.
    »Gummi?«, sagte Erlendur.
    Der Junge schaute zu ihm hoch. Die Oberlippe war etwas geschwollen und die Nase verkratzt. Er war groß für sein Alter und hatte blonde Haare. Aus seinen Augen konnte man tiefes Misstrauen herauslesen.
    »Bist du bei der Polizei?«, fragte er.
    Erlendur nickte und ging mit dem Jungen hinter eine Trennwand, die dazu diente, einen länglichen Tisch mit mehreren Computern abzuschirmen. Erlendur ließ sich auf dem Tisch nieder, der Junge setzte sich vor ihn auf einen Stuhl.
    »Hast du

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