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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Konflikten mit anderen in der Schule gekommen sei, aber er war sich nicht sicher, ob sie das Wort verstehen würde. Deswegen machte er einen neuen Ansatz: »Weißt du, ob er in der Schule irgendwelche speziellen Feinde hatte?«
    »Nein«, erwiderte das Mädchen. »Ich weiß überhaupt nichts. Ich weiß gar nichts über diesen Elías. Und ich verkaufe da auch nichts. Das ist Quatsch!«
    »Hast du versucht, ihm Dope anzudrehen?«, fragte Elínborg.
    »Was ist das denn für eine Tussi?«, stieß das Mädchen hervor. »Mit Tussis wie dir rede ich nicht.«
    Elínborg lächelte. »Hast du ihm Dope verkauft?«, fragte sie noch einmal. »Uns ist zu Ohren gekommen, dass du die jüngeren Schüler dazu zwingst, dir Geld zu geben, und sogar dazu, dir Dope abzukaufen. Wahrscheinlich hat dir deine große Schwester beigebracht, wie man so etwas anstellt, die hat ja Erfahrung darin, wie man Kindern Angst einjagt. Vielleicht hast du ja selber auch Schiss vor deiner großen Schwester, aber das ist uns völlig egal. Ein Mädchen wie du ist uns so schnuppe wie nur irgendwas.«
    »Also, hör mal…«, ließ sich die Frau vom Jugendamt vernehmen.
    »Du hast gehört, was sie zu mir gesagt hat«, unterbrach Elínborg und wandte sich der Beamtin zu, einer Frau um die dreißig. »Da hast du den Mund nicht aufgemacht, und das solltest du jetzt auch nicht tun. Wir möchten wissen, ob Elías Angst vor dir hatte«, fuhr sie fort und sah wieder Heddý an. »Ob du ihn verfolgt und mit einem Messer auf ihn eingestochen hast. Uns ist bekannt, dass du dir einen Spaß daraus machst, Jüngere zu schikanieren, weil es das Einzige ist, was du in deinem erbärmlichen Leben gelernt hast. Hast du Elías angegriffen?«
    Heddý glotzte Elínborg an.
    »Nein«, sagte sie nach längerem Schweigen. »Ich hab überhaupt nix mit ihm zu tun gehabt.«
    »Kennst du seinen Bruder?«
    »Niran kenne ich«, sagte sie.
    »Was meinst du mit kennen?«, fragte Erlendur. »Seid ihr befreundet?«
    »Nehee«, antwortete sie, »wir sind nicht befreundet. Diese Reisfresser finde ich ätzend, die halte ich mir vom Hals. Ich hatte nichts mit ihm zu tun und weiß nicht, wer über ihn hergefallen ist.«
    »Und wieso kennst du Niran?«
    Das Mädchen grinste, und ihre großen Schneidezähne kamen zum Vorschein, die in keinem Verhältnis zu ihrem kleinen Mund und dem kindlichen Gesicht standen.
    »Die sind es doch, die den Handel unter sich haben«, sagte sie. »Diese verdammten Reisfresser, die dealen.«
    Marian Briem schlief, als Erlendur gegen Abend ins Krankenhaus kam. In der Abteilung für Palliativmedizin war es still. Irgendwo lief ein Radiogerät mit den Wetternachrichten. Die Temperaturen waren auf unter zehn Grad minus gesunken, was sich durch den scharfen, trockenen Nordwind noch eisiger anfühlte. Bei dieser Kälte waren nur wenige unterwegs. Die Leute blieben zu Hause, machten sämtliche Lampen an und drehten die Heizung auf. Im Fernsehen wurden spanische und italienische Filme mit viel Sonne, blauem Himmel, südlicher Wärme und kräftigen Farben gezeigt.
    Marian öffnete die Augen, nachdem Erlendur einige Minuten am Fußende gestanden hatte. Die eine Hand, die auf dem Oberbett gelegen hatte, hob sich ein wenig. Erlendur zögerte einen Augenblick, trat dann aber näher, ergriff die Hand und setzte sich auf die Bettkante.
    »Wie geht es dir?«, fragte er.
    Marian Briem schloss die Augen und schüttelte den großen Kopf, als spiele das keine Rolle mehr. Die Abschiedsstunde stand bevor, es blieb nicht mehr viel Zeit. Erlendur bemerkte einen kleinen Handspiegel auf dem Nachttisch neben dem Bett und überlegte, was der da zu suchen hatte. Seines Wissens hatte Marian Briem nie Wert auf Äußerliches gelegt.
    »Der Fall … Kommt ihr voran?«
    Erlendur begriff, über was er reden sollte. Selbst auf dem Totenbett dachte Marian Briem noch an die neuesten Ermittlungen.
    Müde Augen sahen Erlendur an, und er konnte die Frage in ihnen lesen, die ihn selber Tag und Nacht beschäftigte: Wer bringt so etwas fertig? Wie kann so etwas passieren?
    Erlendur berichtete vom Gang der Ermittlung. Marian Briem schloss die Augen und lauschte. Erlendur hatte so etwas wie Gewissensbisse, denn er war nicht aus purem Mitgefühl zu Besuch gekommen. Ihm lag die Frage nach etwas auf dem Herzen, von dem er wusste, dass es in den Akten der Kriminalpolizei nicht zu finden war. Erlendur ging sehr behutsam vor. Es half ihm auch selber, den Fall in aller Ruhe durchzugehen. Einmal öffnete Marian Briem während

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