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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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bekommen. Diese Leute strömen haufenweise aus allen Ecken und Enden der Welt in unser Land, um die Niedriglohnarbeiten zu verrichten, und wir tun so, als sei gar nichts dabei. Alle sollen in Frieden zusammenleben und sich lieb haben. So ist es aber nicht, und so wird es auch nie sein. Diese Typen aus Asien isolieren sich, sie pflegen ihre Traditionen und Gebräuche und achten darauf, dass sie sich nur innerhalb ihrer kleinen Welt verheiraten. Die lernen kein Isländisch und machen natürlich keine Ausbildung. Wie viele von denen sind wohl an der Uni? Die meisten schmeißen nach den Pflichtschuljahren alles hin und sind heilfroh, wenn sie sich nicht mehr mit der dämlichen isländischen Geschichte herumschlagen müssen! Oder mit diesem Scheißisländisch!«
    »Du hast die isländischen ›Väter Islands‹ immer noch nicht drangegeben, höre ich«, warf Erlendur ein.
    »Genau, aber wenn man so etwas zur Sprache bringt, wird man zu einem verdammten Rassisten abgestempelt. Keiner darf was sagen, alle müssen sich diplomatisch verhalten. Eine prima Ergänzung zur isländischen Kultur und so weiter! So ein verfluchter Quatsch!«
    »Glaubst du, dass Elías von jemandem mit asiatischer Abstammung ermordet worden ist?«
    »Diese Möglichkeit habt ihr selbstverständlich ausgeschlossen, nicht wahr?«, gab Kjartan höhnisch zurück.
    »Redest du so mit deinen Schülern?«, fragte Elínborg. »Redest du so über die Zuwanderer mit deinen Schülern?«
    »Ich weiß nicht, ob dich das auch nur im Geringsten etwas angeht«, erwiderte Kjartan.
    »Stiftest du die Kinder in der Schule zu Feindseligkeiten an?«
    Kjartan starrte sie unverwandt an.
    »Mit was für Leuten habt ihr eigentlich geredet? Und woher weißt du das mit den ›Vätern Islands‹? Wieso wühlt ihr in meiner Vergangenheit herum?«
    »Beantworte die Frage«, sagte Erlendur.
    »Ich habe nichts dergleichen getan«, sagte Kjartan. »Falls jemand das behauptet, ist es eine Lüge.«
    »Das haben wir aber gehört«, sagte Elínborg.
    »Ja, und es ist eine Lüge. Ich stifte niemanden zu nichts an. Wer behauptet so etwas?«
    Elínborg und Erlendur schwiegen.
    »Habe ich kein Recht darauf, das zu wissen?«, fragte Kjartan.
    Erlendur sah ihn an, ohne ein Wort zu sagen. Er hatte sich das Strafregister angesehen und außer einem Bußgeld wegen zu schnellen Fahrens nichts gefunden. Kjartan war nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten, er war ein solider, ehrenwerter Bürger dieses Landes, Familienvater – und ein kinderlieber dazu, hatte Erlendur den Eindruck.
    »Wie kommst du zu dem Schluss, dass du besser bist als andere?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Aus dem, was du sagst und tust, kann man aber keine anderen Schlüsse ziehen.«
    »Geht dich das vielleicht etwas an?«
    Erlendur blickte ihn an.
    »Nein, nicht die Bohne.«
    Ragnar, der in der Schule nur Raggi genannt wurde, saß Sigurður Óli im Wohnzimmer bei sich zu Hause gegenüber. Ragnar war das älteste von drei Geschwistern. Seine Mutter, die mit besorgter Miene neben ihm saß, war eine geschiedene Frau und musste nun alleine für die Familie sorgen. Sie und Sigurður Óli hatten sich eine Weile unterhalten, bevor Raggi nach Hause kam. »Es ist nicht leicht, drei Kinder durchzubringen«, hatte die Mutter entschuldigend gesagt, obwohl Sigurður Óli sich mit der bekannten Floskel, es handele sich nur um eine Routineermittlung, vorgestellt hatte. Die Kriminalpolizei unterhalte sich mit vielen Kindern und Jugendlichen an der Schule. Die Frau hörte aufmerksam zu, aber nachdem nun schon einmal die Polizei in ihrer kleinen Souterrainwohnung aufgetaucht war, die sie für teures Geld von dieser reichen alten Frau im ersten Stock mietete, die nicht nur das ganze Haus besaß, sondern mindestens auch drei Pelze, konnte es nicht schaden, die Gelegenheit zu nutzen, auf ihre Situation hinzuweisen. Die Mutter war dick und kurzatmig. Sie rauchte wie ein Schlot, und die Luft war zum Schneiden. Die beiden anderen Kinder sah Sigurður Óli nicht, während er sich in der Wohnung aufhielt. Sie war übersät mit schmutziger Wäsche, Werbeprospekten und Zeitungen. Die Mutter drückte eine weitere Zigarette aus. Sigurður Óli dachte an seinen Anzug, der Zigarettengestank würde noch lange darin hängen.
    Raggi erschrak zunächst, als er jemanden von der Kriminalpolizei bei sich zu Hause vorfand, aber er fing sich schnell wieder. Er war groß für sein Alter und hatte eine dichte, schwarze Mähne und viele Pickel, vor allem um die

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