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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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sie und schien endlich begriffen zu haben, weshalb die Kriminalpolizei bei ihr aufgetaucht war und jede Menge Fragen stellte.
    »Ich will gar nichts andeuten«, entgegnete Sigurður Óli. »Weißt du etwas über Drogenhandel in der Schule?«
    »Mein Raggi hat nichts mit Drogen zu tun«, erklärte die Mutter prompt.
    »Danach habe ich auch gar nicht gefragt«, sagte Sigurður Óli.
    »Ich weiß nix über Dope an der Schule«, sagte Raggi.
    »Du feuerst da also nur Raketen ab«, sagte Sigurður Óli.
    »Ich …«, setzte Raggi an, aber seine Mutter kam ihm zuvor. »Dafür ist er bestraft worden«, sagte sie. »Und außerdem war es gar nicht er, der den meisten Schaden angerichtet hat.«
    »Kann es sein, dass irgendjemand da Drogen verkauft, jemand anderes ihm Geld schuldet und dass diese Schulden dann zu dem geführt haben, was mit Elías geschehen ist?«, fragte Sigurður Óli, der auf einmal verstand, warum die Mutter ihren Sohn verteidigte.
    Nun musste Raggi zum ersten Mal während dieses Gesprächs heftig nachdenken.
    »Da ist niemand an der Schule, der Stoff verkauft«, sagte er schließlich. »Manchmal hängen da aber welche vor der Schule herum, die was verkaufen. Oder bei den Schulfesten. Das ist es aber dann auch. Über was anderes weiß ich nix. Mir hat niemand versucht, was zu verkaufen.«
    »Weißt du, wie das mit Elías passiert ist?«
    »Nein.«
    »Weißt du, wer ihn überfallen hat?«
    »Nein.«
    »Weißt du, wo Niran an dem Tag war, als sein Bruder ermordet wurde?«
    »Nein. Ich hab bloß gesehen, wie Kjartan ihn umgestoßen hat.«
    »Euer Isländischlehrer?«
    »Niran hatte sein Auto eingeritzt, die ganze Seite. Kjartan ist total ausgerastet.«
    Sigurður Óli starrte Raggi an, und er erinnerte sich an das, was Kári über Kjartan und Niran gesagt hatte.
    »Kannst du das bitte noch mal wiederholen?«
    Raggi begriff sofort, dass er etwas gesagt hatte, was wichtig war, und versuchte gleich, einen Rückzieher zu machen.
    »Gesehen hab ich’s nicht, ich hab nur davon gehört«, sagte er. »Irgendeiner hat mir gesagt, dass Kjartan über Niran hergefallen ist, weil Niran sein Auto zerkratzt hat.«
    »Und wann war das?«
    »Morgens, an dem Tag, als der Junge gestorben ist.«
    »Noch etwas Kaffee?«, fragte die Mutter und blies den Zigarettenrauch in die Luft.
    »Vielen Dank, vielleicht noch eine halbe Tasse«, sagte Sigurður Óli und holte sein Handy heraus, um Erlendurs Nummer anzuwählen.
    »Und was weiter?«, fragte er Raggi.
    »Ich weiß nix«, erklärte Raggi, »ich hab das bloß gehört.«

Neunzehn
    Die Fahndung nach Niran hatte am Abend immer noch keinen Erfolg gezeigt, als die Gedenkstunde für Elías und der anschließende Schweigemarsch zu dem Ort, wo er aufgefunden worden war, stattfanden. Viele Menschen nahmen daran teil, an der Spitze ging der Gemeindepfarrer. Sunee, Óðinn, Virote und Óðinns Mutter waren tief berührt, als sie die Solidarität und das Mitgefühl spürten, das all diese Menschen ihnen erwiesen.
    Aber auch das führte nicht dazu, dass Sunee ihren Sohn der Polizei anvertraute. Sie weigerte sich standhaft, das Versteck Nirans zu verraten, und genauso verweigerten auch ihr Bruder und andere, die mit den Geschwistern in Verbindung standen, jegliche Auskunft.
    Elínborg und Erlendur nahmen an der Gedenkstunde teil und beobachteten, wie sich der Schweigemarsch in Bewegung setzte. Elínborg hatte ein Taschentuch in der Hand, mit dem sie sich einige Male die Tränen wegwischte.
    Als er wieder im Büro war, rief Erlendur Valgerður an. Er wusste, dass sie noch im Krankenhaus bei der Arbeit war. Während er darauf wartete, zu ihr durchgestellt zu werden, war ihm zunächst gar nicht bewusst, dass er angefangen hatte, Elínborgs Lied über Kadett Jón Kristófer und Leutnant Valgerður zu pfeifen, die Zeugnis ablegte. Als er es merkte, verwünschte er Elínborg nach Strich und Faden.
    »Hallo«, erklang Valgerðurs Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Mir war gerade danach, dich anzurufen«, sagte Erlendur. »Ich bin auf dem Weg nach Hause.«
    »Ich muss wahrscheinlich die ganze Nacht durcharbeiten«, sagte Valgerður. »Hier wurde ein kleiner Junge eingeliefert, der ganz offensichtlich ein Opfer von häuslicher Gewalt ist. Sieben Jahre alt. Wir haben die Polizei und das Jugendamt …«
    »Bitte, Valgerður, nicht solche Geschichten«, sagte Erlendur.
    »Entschuldige … Ich …«
    Valgerður geriet ins Stocken. Es war nicht das erste Mal, dass er so reagierte. Sie hatte etwas bei der

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