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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Mundpartie. Er schien nervös zu sein. Sigurður Óli begann damit, ihn allgemein nach der Schule zu befragen, nach der Atmosphäre dort, den Lehrern und den älteren Jahrgängen. Auf diese Weise tastete er sich zielstrebig an das Thema »Zuwandererkinder« heran, um schließlich nach Niran zu fragen. Raggis Antworten fielen größtenteils einsilbig aus, aber durchaus höflich. Seine Mutter kam ihnen nicht in die Quere, sie verhielt sich still und zündete sich eine Zigarette nach der anderen an, dazu trank sie Kaffee. Als Sigurður Óli geklingelt hatte, war sie gerade von der Arbeit nach Hause gekommen. Der Kaffee, den sie gekocht hatte, war gut und stark, und Sigurður Óli wartete darauf, noch eine Tasse angeboten zu bekommen. Früher war er Teetrinker gewesen, aber Bergþóra mit ihrem Wissen über Kaffeesorten und Kaffeezubereitung hatte ihm beigebracht, auch Kaffee zu genießen.
    »Wie gefällt dir Kjartan, der Isländischlehrer?«, fragte er. »Der ist in Ordnung«, sagte Raggi.
    »Er hat was gegen dunkelhäutige Menschen, oder nicht?«
    »Vielleicht.«
    »Wie zeigt sich das? Sagt er so was oder macht er etwas?«
    »Nein, nur so.«
    »›Nur so‹, was?«
    »Nix.«
    »Hast du Elías gekannt?«
    »Nein.«
    »Aber Niran, seinen Bruder?«
    Raggi zögerte. »Ja.«
    Sigurður Óli überlegte, ob er Kári erwähnen sollte, nahm aber Abstand davon. Er wollte nicht, dass Raggi glaubte, er käme direkt von ihm.
    »Wie denn?«
    »Nur so«, sagte Raggi.
    »Was heißt ›nur so‹?«
    »Er hält sich für was Besonderes.«
    »Und wie zeigt sich das?«
    »Er nennt uns Eskimos.«
    »Und wie nennt ihr ihn?«
    »Blödmann.«
    »Weißt du etwas über den Überfall auf seinen Bruder?«
    »Nein.«
    »Kannst du mir sagen, wo du warst, als er angegriffen wurde?«
    Raggi überlegte. Mit dieser Frage hatte er offensichtlich nicht gerechnet, und Sigurður Óli dachte, dass er ganz schön abgebrüht sein müsste, wenn er imstande war, ihm etwas vorzuspielen. Endlich kam die Antwort.
    »Wir waren in der Kringla. Ich, Ingvar und Danni.«
    Das stimmte mit den Aussagen von Ingvar und Daníel überein, mit denen Sigurður Óli bereits gesprochen hatte. Beide stritten rundheraus ab, etwas mit dem Angriff auf Elías zu tun gehabt zu haben, sie wussten angeblich nichts von Drogenhandel in der Nähe der Schule und sagten, dass es nur zu kleineren Zusammenstößen mit Schülern ausländischer Abstammung gekommen sei. Die drei Freunde waren als Unruhestifter in der Schule bekannt, und man sah freudig dem nächsten Frühjahr entgegen, denn dann würden sie ihre Schulpflichtjahre abgesessen haben und auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Sie piesackten andere Schüler und hatten sich kurz nach der Jahreswende ganz besonders hervorgetan: Zwei von ihnen erhielten Schulverbot für eine Woche, weil sie auf dem Schulgelände und sogar im Schulgebäude Feuerwerkskörper abgefeuert hatten, die noch von Silvester übrig geblieben waren, darunter sogar welche, an denen sie selber herumgebastelt hatten, um die Wirkung noch zu verstärken. Einer richtete eine solche Rakete in den Korridor, und als sie losging, gingen zwei riesige Fenster zu Bruch. Das ganze Gebäude wackelte, aber glücklicherweise war der Unterricht in vollem Gang, und alle befanden sich in ihren Klassenräumen.
    »Wann hast du Elías zuletzt getroffen?«, fragte Sigurður Óli.
    »Elías? Keine Ahnung. Den kenn ich gar nicht. Und den treff ich nie.«
    »Gibt es in der Schule oft Zoff zwischen euch und Niran?«
    »Nee, eigentlich nicht, aber diese Typen machen sich immer so wichtig.« Raggi verstummte.
    »Die Zuwanderer?«, hakte Sigurður Óli nach.
    »Island gehört uns. Nicht irgendwelchen Ausländern.«
    »Wir wissen, dass es zu Auseinandersetzungen gekommen ist«, sagte Sigurður Óli. »Wir wissen auch, dass sie manchmal ausarten. Nicht nur hier. Das muss aber nicht unbedingt etwas bedeuten. Bist du damit nicht einverstanden?«
    »Ich … äh … Keine Ahnung.«
    »Aber dann passierte das mit Elías.«
    »Ja.«
    »Glaubst du, dass das etwas mit euren Streitereien zu tun hat?«
    »Weiß ich nicht. Nee, bestimmt nicht. Ich mein, so was machen wir nicht, wir würden nie einen umbringen. Das ist hirnrissig. Das machen wir nicht. Darum geht’s überhaupt nicht.«
    »Bist du dir da sicher?«
    Bislang hatte die Mutter schweigend danebengesessen und geraucht, aber jetzt hatte sie etwas beizusteuern.
    »Willst du damit etwa andeuten, dass mein Raggi über den Jungen hergefallen ist?«, sagte

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