Frozen Time (German Edition)
Unterbewusstsein ungefragt ausschüttet. Starke Nerven kann ich gerade gebrauchen. Neben mir trifft Milo dieselbe Wahl. Mit unseren Insignals bestätigen wir auf dem Scan-Pad am unteren Bildschirmrand die Buchung.
»Bitte geh jetzt in den Speisebereich links von der Eingangshalle«, weist die Stimme uns den Weg. »Dein Essen kann am FoodPrinter abgerufen werden.«
Wie ferngesteuert folge ich Milo, der sich ganz selbstverständlichin den steten Menschenstrom in Richtung Speisebereich einordnet, bis wir an einer Reihe von FoodPrintern ankommen, vor denen sich bereits Warteschlangen gebildet haben.
»Bist du hungrig?«, fragt Milo, als wir uns nebeneinander in eine der Schlangen eingereiht haben. Wieder zucke ich mit den Schultern. Mein Magen fühlt sich an wie zugeschnürt.
»Du magst wohl keinen Fisch«, sagt Milo streng. »Dabei ist Fisch doch so gesund.« Er zieht das O in die Länge, sodass mir sofort klar ist, dass er sich lustig macht. Trotz meiner Nervosität entlockt er mir ein kleines Lächeln.
»Ich mag Fisch«, betone ich. »Aber ich habe den Eindruck, dass jemand anderes hier im Raum keinen großen Gefallen daran findet.«
»Wirklich? Wer?« Mit großen Augen schaut Milo sich um und ich muss leise lachen. Ich hätte nicht gedacht, dass Milo so viel Humor besitzt. Aber vielleicht fällt es ihm außerhalb der Arbeitsatmosphäre des MediCenters ja leichter, sich ein bisschen weniger korrekt zu verhalten. Obwohl ich das nicht denken sollte, muss ich gestehen, dass mir dieser Milo besser gefällt als der stets mustergültige.
»Bitte ruf deine Bestellung ab.«
Ohne es zu merken, sind wir zum FoodPrinter vorgerückt. Schnell halte ich mein Insignal an den Scanner, und wenige Sekunden später wird ein Tablett mit meinem frisch gedruckten Essen aus der Serviceöffnung geschoben.
»Hmm, lecker Fisch«, höre ich Milo hinter mir, als er sein Tablett in Empfang nimmt. Ob ihm sein ironischer Tonfall bewusst ist? Ich habe das Gefühl, dass zwischen uns wie aus dem Nichts eine Nähe entstanden ist, die ich nicht erklären kann.
Der Speisesaal ist bereits gut gefüllt, wir finden zwei freie Plätze am Rande eines langen Tischs. Der Raum ist erfüllt vom leisen Summen unzähliger Stimmen. Tischgespräche sind den älteren Juniors im Gegensatz zu den jüngeren Schülern beim Essen gestattet, aber alle bemühen sich um eine allgemeinverträgliche Lautstärke.
Milo zerteilt seinen Fisch bereits in mundgerechte Portionen, aber ich kann mich nur schwer überwinden, das Besteck in die Hand zu nehmen. Mein Magen fühlt sich immer noch wie eine feste Kugel in meinem Bauch an, unsicher betrachte ich die vielen Menschen um mich herum. Ich fühle mich fremd, aber ich will nicht auffallen.
»Hast du keinen Appetit?« Milo merkt, dass etwas mit mir nicht stimmt. »Der Fisch schmeckt wirklich sehr … gesund.«
Schnell schiebe ich mir auch ein Stück in den Mund und kaue es gründlich. Gesund. Das trifft es. Irritiert schiebe ich das saftige, aber salzarme Fischstück im Mund hin und her. Da bin ich Schmackhafteres gewöhnt, denke ich und wundere mich, wie ich auf diese Idee komme.
»Lebst du eigentlich auch in diesem Block?«, frage ich Milo, als ich den zerkauten Fisch schließlich geschluckt habe.
»Nein.« Milo befördert noch eine Gabel mit Essen in seinen Mund, kaut und schluckt, bevor er weiterspricht. »Ich wohne in Block C-VI-3, das ist näher an den MediLernCentern, mein Appartement liegt direkt neben Center C-V I-Alpha .«
»Hast du ein schönes Appartement bekommen?«, forsche ich weiter. Ich weiß immer noch kaum etwas über Milo, aber langsam bin ich neugierig, mehr zu erfahren.
»Ja, sogar zwei Zimmer«, erwidert er.
»Dann lebst du sicher mit deiner Partnerin zusammen?« Ich vergesse ganz, mir ein weiteres Stück Fisch in den Mund zu stecken.
»Nein.« Er fährt sich durch die Haare. »Ich lebe allein dort.«
»Oh.« Weil mir dazu nichts einfällt, lade ich eine Portion Gemüse auf meine Gabel und lasse es in meinem Mund verschwinden. Es schmeckt ebenso salzarm wie der Fisch.
»Eigentlich hatte ich einen Mitbewohner, Marvin, er war mein Freund, seit ich denken kann. Aber er musste umziehen, als er ausgewählt wurde, um an einem wichtigen Forschungsprojekt mitzuarbeiten.
Frozen Time.
Hast du davon schon gehört?«
Ich nicke auf seine Frage, natürlich kenne ich
Projekt Frozen Time
. Es ist eines der wichtigsten medizinischen Forschungsprojekte in unserer Gesellschaft und ein angesehenes
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