Frozen Time (German Edition)
Augenwinkel werfe ich einen Blick zu Milo. Was mag sein bevorzugter Duft sein?
»Bürger der VEN«, erklingt Samantha Figgers volle Stimme. »Mit Freude kann ich euch heute verkünden, dass die Erweckung der ersten Teilnehmer aus
Projekt Frozen Time
verspricht, ein voller Erfolg zu werden. Die ersten zwanzig Bürger sind bereits aus der Kühlung wieder erwacht, es handelt sich ausschließlich um
Frozen
der ersten Generation, also diejenigen Mitbürger, die vor über sechzig Jahren aus medizinischen Gründen konserviert wurden. Heute stehen uns die medizinischen Möglichkeiten zur Verfügung, ihre ursprünglich tödlichen Krankheiten zu heilen, mit ihrer Behandlung wurde bereits begonnen. Diese Bürger werden schon in Kürze wieder als aktive Mitglieder in unsere Gemeinschaft integriert werden können.«
Wieder einmal legt Samantha Figger eine ihrer kunstvollen Pausen ein. Ich schaue mich um, alle Gesichter um mich herum sind wie gebannt auf das Holo der Präsidentin gerichtet.
»Wir, die Regierung der Silver Lions, waren zu jedem Zeitpunkt von der Machbarkeit der Erweckung aller Teilnehmer fest überzeugt. Umso mehr freue ich mich, dass dieses zukunftsweisende Projekt nun zu einem gelungenen Abschluss gekommen ist und alle diejenigen unter euch, denen die Ehre zuteil wird, für ihre Leistungen mit Erreichen des Höchstalters in
Frozen Time
aufgenommen zu werden, sich ohne den geringsten Zweifelauf ein verlängertes, gesundes und glückliches Leben in der Zukunft freuen können.«
Ohs und Ahs sind zu vernehmen. Um mich herum bricht spontaner Applaus aus, als das Holo der verehrten Präsidentin verschwindet und sich zum Jingle der Nachrichtensendung das Staatensymbol in der Raummitte dreht.
»Fantastisch«, sagt Milo begeistert. »Endlich haben sie eine Methode gefunden, die
Frozen
zu erwecken! … Nicht, dass ich daran jemals gezweifelt hätte«, schiebt er schnell hinterher.
Nein, denke ich, Milo hat sicher keine Zweifel daran, dass unsere verehrte Regierung alle Versprechen, die sie den Bürgern gibt, erfüllt. Er mag vielleicht keinen Fisch, ist nicht immer so korrekt, wie es sich gehört, aber er ist überzeugt von unserem gesellschaftlichen System und davon, dass die Medizin alles möglich machen kann. Und das bin ich auch!
Trotzdem kann ich nichts dagegen tun, dass mich, seit ich die News gesehen habe, ein mulmiges Gefühl plagt, das ich mir nicht erklären kann. Ich wende schnell den Kopf ab, damit Milo meine verwirrenden Gedanken nicht in meinem Gesicht lesen kann. Aber er scheint nichts davon zu bemerken.
»Jetzt müssen wir aber wirklich zurückgehen, sonst wird Mitra uns vermissen.« Milo streicht sich die Haare aus der Stirn und wendet sich energisch zum Ausgang. Ich folge ihm still, erst im Park vor dem FreizeitCenter schließe ich zu ihm auf und wir gehen schweigend nebeneinander her.
»Du scheinst dich gut zurechtzufinden«, wechselt Milo das Thema, als wir am Haltepunkt der Magnetrans ankommen und ich wie selbstverständlich mein Insignal vor das ScanPad halte und den Zahlencode für das MediCenter eintippe.
»Vielleicht.« Ich kenne ja alles hier und kenne es eben doch nicht. »Bist du wirklich sicher, dass ich in diesem Block gelebt habe, vor … meiner Krankheit?«, frage ich erneut, während der Lift uns abwärts befördert.
»Warum?«
»Ich … « Ich weiß nicht, wie ich ihm das Gefühl beschreiben soll, dass all das, was ich gerade gesehen und erlebt habe, mir gleichzeitig vertraut und trotzdem völlig fremd vorkam. Wir steigen in die Magnetranskapsel und Milo schaltet mit einer schnellen Handbewegung sein SmartSet ein.
»Hast du etwas wiedererkannt?«, fragt er.
»Ja«, sage ich. »Und nein.«
»Was heißt das?«, hakt Milo nach.
Aber ich kann ihm darauf nicht zufriedenstellend antworten, kann es wirklich nicht besser erklären. Noch immer ringe ich mit der Beschreibung dessen, was mit mir vor und in dem FreizeitCenter passiert ist. Mit dem Erkennen und Nichterkennen. Und noch immer werde ich nicht schlau aus dem mulmigen Gefühl, das mich einfach nicht mehr loslässt.
»Tessa? Wolltest du mir etwas sagen?« Milo klingt eine Spur ungeduldig. Als ich wieder stumm den Kopf schüttele, verdreht er genervt die Augen, schaltet sein SmartSet aus und wendet sich ab. Alle Nähe, die vorhin zwischen uns war, ist verschwunden. Oder habe ich mir das die ganze Zeit bloß eingebildet? Habe ich wirklich geglaubt, wir könnten so etwas wie Freunde werden? Dann war ich naiv. Jetzt
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