Frozen Time (German Edition)
Auszeichnungsprogramm der Regierung. Verwundert registriere ich gleichzeitig die Bitterkeit in Milos Stimme. Ob er neidisch ist, weil sein Freund für diese renommierte Aufgabe ausgewählt wurde und nicht er selbst? Vermutlich hat das Milo, den eifrigen Musterschüler, in seinem Stolz gekränkt.
»Die richtige Lebenspartnerin habe ich jedenfalls noch nicht gefunden«, fährt Milo fort, bemüht locker, wie mir scheint. »Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich bisher nicht das wünschenswerte Engagement bei der Suche nach ihr gezeigt. Meine Karriere ist mir wichtiger, das Lernen nimmt meine ganze Zeit in Anspruch«, erklärt er und fügt im Flüsterton hinzu: »Außerdem finde ich diese gezwungenen DatingDays schrecklich!«
Ich grinse ihn an. Milo ist wirklich nicht immer so perfekt, wie er gerne tut. Und wieder stelle ich fest: So gefällt er mir richtig gut! Andererseits hat er seine Mahlzeit inzwischen komplett verspeist,während auf meinem Teller noch immer der halbe Fisch und fast das gesamte Gemüse liegen.
»Können wir gehen?«, frage ich.
»Du solltest aufessen, du willst doch gesund werden.« Kritisch mustert Milo meinen Teller.
»Meinst du wirklich, dass mir dieser Fisch helfen wird, meine Erinnerungen zurückzuerlangen?«
»Wie du meinst.« Milo zuckt mit den Schultern und steht auf. Kaum haben wir unsere Plätze verlassen, kommt ein ServRob angefahren und räumt unsere Tabletts ab.
Auf dem Weg nach draußen durchqueren wir den Trinkbrunnenraum. Um die hüfthohen Brunnen haben sich kleine Gruppen gebildet. An der Rückwand des Raumes fließt klares Wasser von der Decke zum Boden herab. Ein kühler Hauch weht den frischen Duft zu mir herüber.
Wasser ist gesund. Es geht uns gut.
Die Stimme, die den Satz in mein Ohr spricht, ist so leise, dass ich sie kaum wahrnehme. Sofort empfinde ich Durst.
Milo ist bereits an einen der Brunnen getreten und hat zwei Gläser mit Wasser gefüllt. Er reicht mir eines und ich leere es mit mehreren großen Schlucken. Ja, es tut gut. Ein angenehmes Wohlgefühl breitet sich in mir aus.
»Kann ich bitte noch eins haben?« Ich strecke Milo, der näher am Brunnen steht, mein Glas hin. Als er es nimmt, berühren sich unsere Finger für einen winzigen Augenblick. Meine Hand zuckt reflexartig zurück, seine umklammert das Glas so fest, dass die Knöchel weiß unter der gebräunten Haut hervortreten.
Keine Berührungen!
So schreibt es die Regel vor.
»Entschuldigung«, murmeln wir gleichzeitig.
Er reicht mir das gefüllte Glas zurück und ich nehme es mit spitzen Fingern. Dieses Mal trinke ich mit kleinen, langsamen Schlucken und koste den sauberen Geschmack in meinem Mund voll aus, ohne dabei aufzublicken.
»Wir sollten jetzt langsam zurückfahren.«
Der Trinkbrunnenraum hat sich merklich geleert. Wir folgen den anderen Juniors zurück in die Eingangshalle. Als wir dort ankommen, hat die Ausstrahlung der Mittagsnachrichten gerade begonnen. Das Holo der Moderatorin schwebt überlebensgroß in der Mitte der Halle über den Bildschirmen. Alle Juniors sind stehen geblieben und haben sich der Übertragung zugewandt.
»Bürger der Vereinigten Europäischen Nationen, wie geht es euch?« Die Sprecherin zeigt ihr strahlend weißes Lächeln. »Die verehrte Präsidentin Samantha Figger hat heute bekannt gegeben, dass unsere Forscher einen entscheidenden Durchbruch bei
Projekt Frozen Time
erzielt haben. Den Wissenschaftlern ist es demnach gelungen, eine Methode zu entwickeln, mit der die durch die Kühlung zum Teil geschädigten Körper wieder vollständig regeneriert werden können. Einer Erweckung der Teilnehmer aus
Frozen Time
stehe damit nichts mehr im Wege, erklärte die verehrte Präsidentin. Tatsächlich seien die ersten
Frozen
bereits erfolgreich erweckt worden. Kritische Stimmen, die seit einiger Zeit angezweifelt hatten, dass die Teilnehmer aus
Frozen Time
jemals wiederbelebt werden können, und dass diese renommierte Auszeichnung der Regierung somit letztlich ein Betrug sei, dürften damit endgültig zum Verstummen gebracht worden sein.«
Unruhe breitet sich in der Halle aus, Stimmengemurmel erhebt sich. Doch als das Holo der Sprecherin verschwindet undstattdessen die verehrte Präsidentin in der Mitte der Halle auftaucht, wird es sofort wieder still. Ein sanfter Hauch von Vanille schwebt durch den Raum. Ich beobachte, wie sich die Gesichter der Juniors um mich herum entspannen; ich weiß, dass jeder von ihnen in diesem Moment seinen eigenen Lieblingsduft atmet. Aus dem
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