Frozen Time (German Edition)
Fragen, und ich glaube nicht, dass es gut wäre, diese Fragen hier in der Runde zu stellen. Aber jetzt muss ich wenigstens wissen, was mit Rose passiert ist. Kaum ist die Meditation beendet, platze ich damit heraus. »Wo ist Rose?«
Ich sehe, wie Jaro, Silko und Kira sich verwundert umblicken, als wäre ihnen noch gar nicht aufgefallen, dass eine von uns fehlt.
»Richtig, Tessa«, ergreift einer der Memo-Trainer das Wort. »Wir wollten euch gerade davon berichten. Es wird euch sicher freuen zu hören, dass Roses Zustand sich so weit stabilisiert hat, dass sie geheilt entlassen werden konnte. Wie es aussieht, hat sie ihre Erinnerungen wiedererlangt und wird damit in der Lage sein, in ihr altes Leben zurückzukehren.« Er hält kurz inne und schaut jeden von uns einige Sekunden lang an. Ich muss mich zwingen, seinem Blick standzuhalten.
»Für euch alle ist es hoffentlich Bestätigung und Ansporn zugleich, euch auf die Wiederherstellung eures Erinnerungsvermögens zu konzentrieren«, fährt der Memo-Trainer fort. »Deshalb lasst uns nun über eure eigenen Erinnerungen sprechen. Habt ihr seit gestern etwas erlebt oder durch den Gebrauch der Smart-Sets erfahren, das eure Erinnerungen angeregt hat?«
»Aber … «, will ich einwenden. Doch dann halte ich schnell den Mund. Was könnte ich denn sagen? Dass Rose auf michnicht den Eindruck gemacht hat, sie wäre in der Lage, bald wieder in ihr altes Leben zurückzukehren, weil sie verwirrt, nein, panisch auf mich gewirkt hat? Dann müsste ich alles erzählen, was sie gestern zu mir gesagt hat, aber ich habe ihr versprochen, dass ich genau das nicht tun werde.
Erzähl es niemandem!
Außerdem würde ich damit die Entscheidung der Medis offen anzweifeln, und das ist undenkbar. Die Medis wissen besser als ich, wie es um Roses Gesundheit steht, versuche ich mich zu beruhigen. Sie würden sie nicht entlassen, wenn der geringste Anlass bestünde, an ihrer Verfassung zu zweifeln. Ich weiß, dass ich den Medis in jeder Hinsicht vertrauen kann. Es ist ihre Bestimmung, Menschen zu heilen und ihnen ein langes Leben zu ermöglichen. Sie sind gut in dem, was sie tun.
Obwohl ich mir dieses beruhigende Wissen immer und immer wieder selbst vergegenwärtige, fühle ich mich aufgewühlt und kann dem Gruppenmeeting kaum folgen.
»Was ist los mit dir?«, fragt Milo, als wir nach dem Meeting in mein kleines Zimmer zurückkehren.
»Ich weiß es nicht«, antworte ich. »Vielleicht sind es die vielen Eindrücke von gestern, die ich erst verarbeiten muss.«
»Okay.« Milo fährt sich durch die Haare und blickt mich taxierend an. »Dann ist es dir womöglich zu viel, einen weiteren Ausflug zu unternehmen?«
»Noch ein Ausflug?« Ich bin ein bisschen erstaunt; nachdem unser gestriger Spaziergang keinerlei Erfolg gezeigt hat, hätte ich nicht geglaubt, dass wir das Ganze so schnell wiederholen würden.
»Ja, Mitra glaubt, dass wir es falsch angegangen sind. Sie findet,wir sollten Orte besuchen, die dir von früher vertraut sein müssten. Aber wie gesagt, wenn es dir zu viel ist … «
»Nein«, falle ich ihm eilig ins Wort. Ich bin froh über die Aussicht auf Ablenkung von meinen wirren Gedanken, und um ehrlich zu sein, kann ich die kahlen Wände meines kleinen Krankenzimmers nicht mehr ertragen. »Lass uns losgehen.«
Dieses Mal nehmen wir direkt die Magnetrans, der Weg zu Block B-VI-7 ist zu weit, um ihn zu Fuß zu gehen. Trotzdem dauert die Fahrt kaum länger als gestern, denn den größten Teil der Strecke legt unsere Kapsel in der Hochgeschwindigkeitsader zurück.
Da es in den dunklen Schächten ohnehin nichts zu sehen gäbe, sind die Kapseln fensterlos, stattdessen verfügen sie über einen Bildschirm, auf dem die Übertragungen des staatlichen Senders gezeigt werden. Im Moment läuft eine Dokumentation über den neuesten Windpark in der Nordsee. An Hunderten Windkraftanlagen drehen sich die riesigen Rotorblätter im synchronen Rhythmus auf dem offenen Meer.
Hochleistungsstarke Wind- und Solarkraftanlagen liefern den Vereinigten Europäischen Nationen Energie im Überfluss,
höre ich die Stimme eines Sprechers leise erklären.
»Das Meer«, sagt Milo plötzlich. »Ich würde wirklich gerne mal das Meer sehen.«
Verwundert schaue ich ihn an. Das Meer sehen? Das würde eine Reise voraussetzen, denn die Erste Metropole liegt mehrere Hundert Kilometer von der Küste entfernt. Reisen sind jedoch den obersten Mitgliedern der Silver Lions vorbehalten sowie angesehenen
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