Frozen Time (German Edition)
finden, werden sie über kurz oder lang den einzig logischen Schluss daraus ziehen, nämlich dass ich einen Einstieg in den Keller gefunden habe. Kaum habe ich den Gedanken zu Ende gedacht, packt mich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich sehe mich nach allen Seiten um, kann aber niemanden entdecken. Das sind bloß die überspannten Nerven, versuche ich mich zu beruhigen.
Was soll ich jetzt anfangen? Wo soll ich hin? Wo kann ich mich verstecken? Die unbeantworteten Fragen lähmen mich. Ich lasse meinen Kopf auf meine Arme sinken und versuche nachzudenken. Aber ich schaffe es nicht, einen vernünftigen Gedanken bis zum Ende zu bringen. Meine Situation erscheint mir ausweglos. Außerdem fallen mir ständig die Augen zu. Ich bin so schrecklich müde, aber ich darf nicht schlafen! Immer noch ist da das Gefühl, dass jemand mich beobachtet. Hektisch blicke ich auf, sehe mich suchend um. Aber außer den Robotern, die neben mir durch den Gang düsen, kann ich wirklich nichts entdecken. Noch einmal schließe ich die Augen, nur für einen kurzen Augenblick, um Kraft zu sammeln, damit ich mich wenigstens auf die Suche nach trockener Kleidung machen kann. Da vernehme ich ein Geräusch, das mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Schritte.
»Na, was haben wir denn da?«, höre ich eine fremde Stimme direkt über mir.
KAPITEL 7
Flucht!,
ist mein erster Gedanke. Ich will aufspringen, abhauen, aber mein Körper gehorcht mir nicht. Wie von einer Schockstarre erfasst, kauere ich am Boden, presse panisch meinen Rücken gegen den Türrahmen und starre zu dem Fremden hoch. Vor mir hat sich ein Junge aufgebaut, er ist vielleicht zwei oder drei Jahre älter als ich, trotzdem trägt er schwarze Hosen wie ein Adult und ein zerschlissenes, kariertes Hemd. Die rötlichen Locken fallen wild um seinen Kopf. Rote Haare sind sehr selten in den VEN, denke ich und kann nicht glauben, dass ich in diesem Augenblick zu einem solchen Gedanken in der Lage bin.
Der Junge hat die Arme in seine Seiten gestützt und taxiert mich mit einem abschätzigen Blick, unter dem ich unwillkürlich noch stärker zu zittern beginne. Nach außen bemühe ich mich trotzdem, gelassen zu wirken. Was bleibt mir anderes übrig? Ich habe keine Ahnung, wer dieser Junge ist und wie gefährlich er mir werden könnte. Aber wie ein Officer sieht er schon mal nicht aus und er scheint keine Waffe bei sich zu tragen. Vielleicht ist er auch vor etwas oder jemandem davongelaufen,denke ich und entspanne mich ein wenig bei der Vorstellung. Der Junge scheint über mich zu ähnlichen Schlüssen gelangt zu sein, denn sein Blick wird weicher, fast mitleidig, als er mich neugierig mustert.
»Keine Angst«, sagt er. »Ich kann dir helfen.«
Er streckt mir seine Hand hin, im ersten Moment zucke ich zurück, doch dann begreife ich, dass er mir aufhelfen will. Keine Berührungen! Jeder Bürger kennt diese Regel und achtet sie. Was ist das bloß für ein merkwürdiger Junge? Ich ignoriere seine Hand und stütze mich selbst vom Boden hoch, um nicht länger vor ihm zu kauern. Als wir uns auf Augenhöhe gegenüberstehen, wäge ich meine Chancen zur Flucht ab. Sie sind gleich null. Würde ich jetzt losrennen, könnte er mich packen, zumindest aber wäre er garantiert schneller als ich, und er scheint sich obendrein besser hier auszukennen, immerhin hat er sich angeschlichen, ohne dass ich es bemerkt habe. Ich verschränke die Arme vor der Brust, um wenigstens eine minimale Barriere zwischen uns aufzubauen.
»Wer bist du?«, will ich wissen.
»Mein Name ist Robin«, antwortet er. »Und wie heißt du?« Wieder taxiert er mich mit einem abschätzigen Blick.
»Tessa.« Auch wenn diese Begegnung mehr als seltsam ist, will ich nicht unhöflich erscheinen.
»Tessa, gut«, erwidert Robin. »Was ist dir passiert? Wieso bist du hier? Wirst du verfolgt?« Er feuert seine Fragen auf mich ab, als hätte er eine Liste, die er abarbeiten müsste, aber ich kneife bloß die Lippen zusammen. Auch wenn ich keine Chance habe, ihm zu entkommen, wüsste ich nicht, warum ich ihm mehr als nötig über mich verraten sollte. Robin wartet einige Augenblickeschweigend, doch dann wird ihm klar, dass ich nicht vorhabe, auf seine Fragen zu antworten. Er seufzt.
»Hör zu«, sagt er betont geduldig. »Du hast jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder du erzählst mir, was dir passiert ist, und ich überlege, wie ich dir am besten helfen kann, oder du sagst mir, dass ich verschwinden soll, dann werde ich das tun, und du
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