Frozen Time (German Edition)
wieder zu tragen.
Erst als ich Robin hinter mir ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden klopfen höre, wird mir bewusst, dass ich noch immer in den Sammelbehältern wühle. Schnell ziehe ich einige Kleidungsstückein typischen Juniorfarben hervor und hoffe, dass sie mir halbwegs passen werden.
»Ich warte dann mal draußen«, erklärt Robin und verschwindet bereits durch die Tür zurück in den Gang. Er ist kaum hinausgegangen, als ein RecycleRob durch die Tür hereinkommt und einen weiteren Kleiderhaufen in einen der Behälter entleert. An der Decke über mir setzt sich ein anderer RecycleRob in Bewegung, der mit seinen acht langen Armen Ähnlichkeit mit einer riesigen Spinne hat, und beginnt mit der Sortierung der Kleider.
Ich muss mich zwingen, mich auszuziehen. Obwohl ich weiß, dass es sich nur um einen Roboter handelt, fühle ich mich beobachtet. Doch sobald ich die nassen Sachen von meinem Körper gepellt habe, spüre ich Erleichterung. Ich nutze eines der trockenen Hemden, die ich aus dem Sammelbehälter gefischt habe, um mich abzurubbeln, und schlüpfe dann in eine feste blaue Hose und ein helles Shirt. Auf dem Stapel mit den neu eingetroffenen Sachen entdecke ich eine dunkelblaue Jacke mit einer Kapuze, in die eine LE D-Beleuchtung eingearbeitet ist. Ich ziehe sie schnell heraus und streife sie über. Zum Schluss suche ich mir noch ein paar robust aussehende Schuhe aus einem weiteren Behälter heraus. Mit den Händen reibe ich über meine Arme, und die Kälte weicht Stück für Stück aus meinem Körper. Es ist ein komisches Gefühl, in den Kleidern fremder Menschen zu stecken, aber es ist nichts, worüber ich zu viel nachdenken sollte, denn im Grunde komme ich mir nicht mehr und nicht weniger verkleidet vor als in den Sachen, die ich mir selbst am NanoConverter im MediCenter ausgesucht habe.
»Besser?«, fragt Robin, als ich zu ihm in den Gang trete.
»Ja, danke.« Jetzt, wo mir langsam wärmer wird, kann ich auch meine Gedanken wieder besser zusammenhalten. Zahllose Fragen rangeln in meinem Kopf darum, als erste gestellt zu werden.
»Wer bist du? Und was tust du hier? Und warum hilfst du mir? Und wie hast du mich überhaupt entdeckt?«, sprudeln sie schließlich ungeordnet aus mir heraus. Robin lacht schon wieder, er scheint gerne zu lachen. Es ist ein unpassendes Geräusch hier unten in den düsteren Kellern, aber es nimmt der Situation auch die Schärfe.
»Wer ich bin, habe ich dir bereits gesagt«, antwortet er amüsiert. »Was ich hier tue? Nun, ich würde sagen, ich lebe hier. Seit etwa zwei Jahren, um genau zu sein.« Wieder flackert etwas in seiner Stimme auf, was ich für Bedauern halte, aber Robin redet schnell weiter. »Warum ich dir helfe, willst du wissen. Ich helfe dir, weil wir fast alle am Anfang so hier angekommen sind wie du und weil wir alle Hilfe gebraucht und gefunden haben. Und zu deiner letzten Frage … «
Aber ich unterbreche ihn: »Wir alle?«, hake ich erstaunt nach. »Soll das heißen, hier im Keller leben noch mehr Menschen? Wieso? Wie kann das sein?« Mir kommt ein Verdacht, so unglaublich, dass ich unwillkürlich wieder zu zittern anfange, obwohl mir nicht mehr kalt ist. »Seid ihr alle geflohen?«, frage ich und schüttele gleichzeitig den Kopf. Warum sollten auch andere einen Grund haben, vor dem System zu fliehen und sich hier unten zu verstecken? »Warum?«
»Warum bist du geflohen?«, dreht Robin meine Frage um. »Kommst du vielleicht auch aus einem der Forschungslabore?«
Fragend sehe ich ihn an und er deutet als Erklärung auf meinen Kopf. Ich fahre mit einer Hand über die Kapuze, erst jetztwird mir bewusst, dass mein Schädel darunter nackt ist. Ich muss die Perücke im Wasser des Kanals verloren haben, Robin hat die Elektroden in meiner Haut zwischen meinen kurzen, stoppeligen Haaren sicher bemerkt.
»Könnte man so sagen.« Wie soll ich Robin erklären, was mir wirklich passiert ist?
»Dann weißt du, warum die anderen hier sind«, erklärt er schlicht. »Viele von uns haben etwas Ähnliches erlebt wie du, einige andere sind deshalb zu uns gestoßen, weil sie sich nicht mehr von der verehrten Regierung vorschreiben lassen wollten, wie sie ihr Leben zu leben haben.« Er lacht, aber es klingt nicht fröhlich, eher verbittert, viel zu verbittert.
»Und deshalb verkriecht ihr euch hier?«, frage ich, halte aber schnell den Mund, als mir bewusst wird, dass ich selbst im Moment genau dasselbe tue. Mich verkriechen.
»Ja«, räumt Robin ein. »Wir nennen
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