Frozen Time (German Edition)
willst du hier?« Er betrachtet mich mit seinem undurchdringlichen Blick. Ob es wirklich eine gute Idee war hierherzukommen? Meine Hände werden feucht bei dem Gedanken, dass ich mich Milo völlig ausliefere.
»Ich brauche deine Hilfe«, bringe ich heraus und gehe einen vorsichtigen Schritt auf ihn zu.
»Meine Hilfe?«, echot Milo wenig begeistert. »Meine Hilfe hast du heute schon bekommen. Mehr kann ich wirklich nicht für dich tun.« Ja, er hat recht. Er hat mir bereits geholfen und damit eine Menge riskiert. Aber verglichen mit dem, was ich nun von ihm verlange, war es eine Kleinigkeit, mir den Weg zu den Treppen zu zeigen. Trotzdem kann ich nicht so schnell aufgeben.
»Warum hast du mir überhaupt geholfen«, frage ich und wage mich einen weiteren Schritt nach vorn. Ein kurzes Flackern ist in seinen Augen zu erkennen.
»Weil, ach … Komm erst mal herein«, sagt er unwillig. »Nicht dass uns jemand im Flur sieht oder hört und die Officer wegen Störung der Nachtruhe zurückruft.«
Hinter Milo trete ich in sein Appartement und lasse meinen Blick durch den Wohnraum streifen. Standardeinrichtung, stelle ich fest. Hellgraue Sitzmöbel, ein passender Tisch, die interaktiven Wände sind in einem sanften Wasserblau getönt. Milo weist auf einen der vier eckigen Sessel und lässt sich ebenfalls in einem nieder. Einen Moment lang schweigen wir uns an, mustern uns, als könnten wir die Gedanken des anderen erraten, dann gibt Milo sich merklich einen Ruck.
»Hör zu, Tessa«, sagt er. »Was ich getan habe im MediCenter, war eine spontane Entscheidung. Ich weiß nicht, warum ich es gemacht habe, und ich weiß wirklich nicht, ob es richtig war. Meine Güte, ich zermartere mir seither das Hirn, ob es klug war, dir bei deiner Flucht zu helfen. Was dir alles hätte passieren können … «
Er bricht ab und ich betrachte ihn erstaunt. Er hat sich Sorgen um mich gemacht? Die Erkenntnis verursacht ein kleines, wärmendes Gefühl in meiner Brust. Milo hat nicht in erster Linie überlegt, welche Konsequenzen sein Handeln für ihn selbst haben wird, sondern er hat an mich gedacht!
»Aber«, fährt er entschieden fort und sofort weicht die Wärme aus mir, »mehr kann ich wirklich nicht für dich tun. Du kannst nicht hierbleiben. Die Officer suchen dich, Tessa. Wenn jemand herausfindet, dass du hier bist, dann bin ich dran, dann bekomme ich mindestens einen Vermerk in meinen Personendaten, und das würde meine Karrierechancen erheblich beeinflussen. Ich muss mich jetzt auf meine Ausbildung konzentrieren.« Er presstdie Lippen aufeinander und sieht mich so unverwandt an, dass es mir ganz unangenehm wird.
»Ich will gar nicht hierbleiben«, beeile ich mich zu sagen. »Ich will dir keine Schwierigkeiten machen, wirklich nicht. Ich … « Ich gerate ins Stocken. »Ich will nur begreifen, wie es zu all dem kommen konnte.« Natürlich will ich weit mehr: Ich will wissen, wer ich bin! Aber ich merke, dass Milo sich bereits wieder vor mir verschlossen hat. »Bitte, Milo«, sage ich deshalb fast flehentlich. »Erklär mir wenigstens, was passiert ist, bevor du mir geholfen hast zu fliehen.«
»Na gut«. Er seufzt. »Als Sara dich abgeholt hat, war mir sofort klar, dass Mitra einen Hirnscan bei dir durchführen will. Natürlich wollte ich dabei sein. Ich meine, die Ergebnisse benötige … benötigte ich ja für das Memo-Training, dachte ich. Aber sie hat mich weggeschickt. Ich war ein bisschen verwundert, muss ich gestehen. Vielleicht sogar ein wenig wütend.« Er schluckt und ich muss trotz meiner Anspannung schmunzeln. Milo, der sonst immer so beherrscht ist, war also tatsächlich wütend, als ich ihm im Flur begegnet bin.
»Ich ging ins Medizimmer, um mich zu beruhigen«, fährt er mit seinem Bericht fort. »Kurze Zeit später kam Mitra wieder dazu. Sie teilte mir mit, dass die Ergebnisse des Hirnscans positiv gewesen seien, du habest deine Erinnerungen wiedererlangt, somit sei meine Aufgabe als Memo-Trainer beendet. Das kam alles sehr plötzlich und unerwartet für mich, und nach dem, was du mir zuvor erzählt hattest, zweifelte ich Mitras Einschätzung an.«
Jetzt bin ich wirklich verblüfft! Milo, der Musterschüler wagt es, die Entscheidung einer Senior-Medi infrage zu stellen. Dashätte ich ihm beim besten Willen nicht zugetraut! Aber es erklärt noch immer nicht, warum er mir dann geholfen hat zu fliehen.
»Wir haben kurz argumentiert, dann forderte sie mich sehr entschieden auf zu gehen. Ich war bereits an
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