Frozen Time (German Edition)
der Tür, als ich Mitra etwas in ihr SmartSet murmeln hörte. Sie sprach sehr leise, vermutlich wollte sie nicht, dass ich etwas davon mitbekomme, aber ich habe es trotzdem verstanden. Und es hat mich sehr … verwundert.«
Verwundert! Was für ein schwaches Wort, aber ich kapiere trotzdem sofort, was Milo gehört haben muss. »Du wusstest also, was sie mit mir vorhatten?«, frage ich, und als er nicht reagiert, schiebe ich hinterher: »Du wusstest von der geplanten Gehirnwäsche?« Er nickt. »Deshalb hast du mir geholfen zu fliehen, statt mich zu Mitra zurückzubringen, als du mich dort im Flur getroffen hast?« Wieder nickt er, plötzlich wirkt er erschöpft.
»Mentizideingriffe werden äußerst selten durchgeführt, nur schwere psychische Deformationen, die im Grunde heutzutage so gut wie kaum noch auftreten, werden damit behandelt«, sagt er leiernd, es klingt, als zitiere er aus einem seiner Lerntexte. »Ich konnte einfach nicht verstehen, warum Mitra eine solche Behandlung für dich angeordnet hat.« In einer hilflosen Geste breitet er die Arme aus und lässt sie wieder sinken.
»Nein«, sage ich. »Das begreife ich auch nicht.«
Wieder schweigen wir einen Moment, als sich mir eine weitere Frage aufdrängt, die ich Milo unbedingt noch stellen muss, nicht nur, weil ich die Wahrheit kennen will, sondern auch, weil ich wissen muss, ob ich Milo vertrauen kann. »Woher wusste Mitra, wann sie den Hirnscan machen muss?« Dass es nur eine Routineuntersuchung war, glaube ich schon längst nicht mehr.»Wie hat sie mitbekommen, dass ich anfange, mich zu erinnern? Hattest du dein SmartSet wirklich ausgeschaltet?« Ich halte gespannt die Luft an, so sehr bangt mir vor Milos Antwort, und dann reagiert er heftiger, als ich erwartet hatte.
»Natürlich habe ich es ausgeschaltet, das habe ich dir doch versprochen.« Er streicht sich die Haare aus der wütend gerunzelten Stirn und funkelt mich aus beinahe schwarzen Augen an. »Und wenn ich etwas verspreche, dann halte ich das auch!«
»Entschuldige«, lenke ich schnell ein. »Es tut mir leid. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich glauben soll.«
Milo lehnt sich vor, seine Augenfarbe wechselt wieder von Schwarz zu Dunkelbraun. »Tessa«, sagt er nun ganz ruhig. »Alle Patientenzimmer werden natürlich abgehört.« Ich schließe kurz die Augen, als mir die Bedeutung seiner Worte klar wird. Ich war niemals allein in meinem Zimmer. Sie konnten mich durch die verdunkelte Scheibe sehen – und sie konnten mich auch hören! Immer. Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und fühle mich wieder furchtbar erschöpft.
»Möchtest du etwas trinken?«, höre ich Milos Stimme wie aus weiter Ferne. »Oder hast du Hunger?« Ich hebe den Kopf und schüttele ihn verneinend. Ich spüre keinen Hunger, doch mein Magen, der seit vielen Stunden keine Nahrung mehr bekommen hat, verrät mich mit einem vernehmlichen Knurren.
Milo steht auf, geht zum FoodPrinter und bestellt ein belegtes Sandwich. Dann hält er sein Insignal vor das ScanPad des kleinen NanoConverters und nimmt ein Messer heraus. Damit teilt er das Sandwich in zwei Hälften, wovon er mir eine anbietet.
»Das musst du nicht«, sage ich, denn ich weiß, dass er mit seinem Insignal kein weiteres Essen ordern kann, ohne dass esauffallen würde, greife aber nach einem höflichen Zögern trotzdem gierig nach dem halben Sandwich und lächle ihn dankbar an. Milo kehrt zum NanoConverter zurück, aus dem er zwei Gläser holt, die er aus dem Wasserspender an der Wand füllt. Als er mit den Gläsern zu mir zurückkommt, habe ich das halbe Sandwich bereits hinuntergeschlungen, auch das Wasserglas leere ich mit wenigen großen Schlucken und spüre sofort, wie sich die entspannende Wirkung in mir ausbreitet. Aber sie hält nicht lange an, dafür bin ich viel zu angespannt.
»Ich gehe dann mal«, sage ich und will aufstehen. Ich habe Milos Hilfe schon zu lange beansprucht, aber er bedeutet mir, sitzen zu bleiben.
»Wo willst du denn hin?«, fragt er, und ich meine, fast so etwas wie Sorge herauszuhören.
»Ich weiß es nicht.«
»Dann … «, wieder scheint er mit sich zu ringen, » … bleib halt hier heute Nacht. Ich habe den Officern, die nach deinem Verschwinden hier aufgetaucht sind, gesagt, ich hätte keine Ahnung, wie du fliehen konntest und wo du hinwolltest. Ich denke, sie haben mir geglaubt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie mich überwachen, ist also gering! Bleib hier und ruh dich ein bisschen aus.«
»Danke«,
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