Frozen Time (German Edition)
schnell hinterher, bevor Milo mir widersprechen kann.
Aber zu meiner Überraschung widerspricht er mir nicht, sondern nickt ganz langsam, wobei ihm seine langen, braunen Haare in die Stirn fallen. Ich rechne fest damit, dass er sie sofort zur Seite streichen wird, aber er scheint zu konzentriert zu sein, um die störenden Haare überhaupt zu bemerken.
»Es wäre möglich«, sagt er schließlich bedächtig, und mein Herz macht einen Sprung, weil Milo mir glaubt. »Und was schlägst du vor, wo wir nach Informationen suchen sollen?«
»Hast du Zugang zu anderen Patientendaten? Aus anderen Centern?«, frage ich eifrig. Ich meine zu wissen, dass es im Zuge der Optimierung von medizinischer Forschung und Behandlung üblich ist, dass alle Medis in den VEN Zugriff auf alle Patientendaten erhalten, um so schnellstmöglich Verbindungenherstellen und neueste Forschungsergebnisse in ihre Arbeit integrieren zu können. Keine Ahnung, woher ich das weiß und ob es überhaupt stimmt, aber Milo nickt und scheint bereits erfasst zu haben, worauf ich hinauswill, denn er wendet sich von der Wand ab und spricht leise in sein SmartSet.
Im selben Moment verschwinden alle Zahlen und Kurven über mich, zurück bleibt eine weiße Wand. Ich starre darauf, während ich warte, bis Milo fertig ist, im nächsten Moment erscheint auf der Wand ein Schriftzug:
Projekt Frozen Time
.
Ich spüre ein Kribbeln, das in meinen Fingern beginnt und sich schnell durch meinen ganzen Körper ausbreitet. Als ich die drei Wörter lese, weiß ich plötzlich mit Sicherheit, dass dort der Schlüssel zu meinen Erinnerungen versteckt liegt.
»Was willst du wissen?«, fragt Milo angespannt. Ich bin mir nicht sicher, ob das, was er tut, überhaupt erlaubt ist oder ob er dafür Ärger bekommen kann.
»Namen«, sage ich leise. »Ich brauche die Namen.«
Wieder murmelt Milo kurze Befehle in sein SmartSet, und schon erscheint an der Wand eine Übersicht über die zur Verfügung stehenden Patientendateien mitsamt kleinen Bildern, auf denen ich niemanden erkennen kann, es sind nur wenige, etwa zwanzig. Meine Augen fliegen über die Buchstaben, setzen sie in Windeseile zu Namen zusammen, finden nicht, was sie suchen. Enttäuscht lasse ich mich wieder in den Sessel sinken. Finn ist nicht dabei!
»Das ist nur die Liste der bereits Erweckten«, höre ich Milos Stimme über mir. Na klar, denke ich, die Liste mit den Namen der
Frozen
müsste ja viel, viel länger sein. Ich schöpfe neue Hoffnung.
»Warte«, sagt Milo, »ich rufe mal die andere Liste auf.« Seine leisen Befehle kann ich nicht verstehen, doch dann taucht ein neuer Schriftzug an der Wand auf. Ein roter Schriftzug.
Zugriff abgelehnt.
Milo und ich seufzen gleichzeitig enttäuscht auf.
Im selben Moment ertönt ein leiser Gong und eine sanfte Frauenstimme verkündet: »Es ist 23.30 Uhr. Bitte geh ins Bett, um deine optimale Schlafdauer von sieben Stunden und dreiundzwanzig Minuten zu erreichen.«
»Du kannst das Bett nehmen, ich schlafe hier«, erklärt Milo großzügig.
Ich sehe mich in dem Wohnbereich um, als sähe ich den Raum zum ersten Mal, kann aber außer den vier Sesseln keine Möbel entdecken. »Wo willst du denn schlafen?«
»Hier.«
»Auf dem Boden?«, protestiere ich entsetzt.
»Klar«, sagt er, dann bemerke ich sein amüsiertes Grinsen. Er betätigt ein TouchPad an der Wand, augenblicklich versinken die Sessel im Boden und ein schmales Bett wird aus der Wand ausgefahren.
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich hier mit meinem Freund Marvin gewohnt habe«, erklärt Milo. »Glaubst du, wir hätten uns ein Bett geteilt?«
Ich schüttele nur den Kopf.
»Dann schlaf gut«, sagt er.
Ich will ihm auch Gute Nacht wünschen, da fällt mir ein, dass ich Milo noch um etwas bitten möchte, bevor wir uns hinlegen.
»Milo?«
»Hm?« Er hat sich bereits auf den Rand des Bettes gesetzt und ist gerade dabei, das flache Kissen aufzuschütteln.
»Könntest du die bitte noch entfernen?« Ich ziehe mir die Kapuze vom Kopf und neige meinen Schädel zu ihm, damit er die Elektroden darauf besser sehen kann. Sie haben mich die ganze Zeit nicht gestört, ich habe sie nicht einmal gespürt, wenn ich nicht mit meinen Fingern danach getastet habe, aber jetzt finde ich die Vorstellung unerträglich, sie auch nur eine weitere Nacht in meinem Kopf zu haben. Ich will nicht, dass ein anderer sehen kann, was in meinem Gehirn vor sich geht.
»Ja, sicher.« Milo steht schnell wieder auf und kommt zu mir. »Setz dich hin«,
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