Frozen Time (German Edition)
bringe ich überwältigt heraus und lasse mich auf den Sessel zurückfallen. »Aber warum tust du das alles für mich?«
Milo zuckt die Schultern. »Ich weiß nicht«, sagt er. »Vielleicht aus wissenschaftlichem Interesse.« Auch wenn die Antwort zu Milo passt, hatte ich nicht damit gerechnet. Aber womit hatte ich dann gerechnet?, frage ich mich streng. Und warum enttäuscht mich seine Erklärung?
»Wie meinst du das?«
»Betrachte es mal aus meiner Sicht«, entgegnet Milo. »Ich habe wirklich viel in dieses Projekt investiert. Und von einem auf den anderen Tag wird es mir entzogen. Natürlich möchte ich wissen, was hinter all dem steckt. Zumal es heute nicht zum ersten Mal passiert ist, dass mir etwas komisch vorkam.«
»Wie bitte?« Ich schnelle in meinem bequemen Sessel nach vorn.
»Ich durfte schon bei mehreren medizinischen Projekten mitarbeiten«, erklärt Milo, »und ich habe es noch nie erlebt, dass ich dabei nicht den kompletten Datensatz der Patienten einsehen konnte. Doch deine Daten waren zum Teil gesperrt.«
»Gesperrt? Wie meinst du das?«
»Na ja, das heißt, dass ich keinen Einblick in die Behandlungsdaten hatte, die vor deinem Erwachen erhoben worden sind. Ich weiß nichts darüber, welche Art von Virus dich infiziert hat, und nicht, welche Medikamente die Medis dir dagegen gegeben haben. Ich habe Mitra erklärt, dass ich dieses Wissen für ein qualifiziertes Memo-Training benötige, weil einige Medikamente eine Amnesie wie die, unter der du leidest, verstärken können. Aber sie hat mir versichert, dass ich alle Informationen bekomme, die ich für das Training brauche.« Nachdenklich streicht er sich die Haare aus dem Gesicht, sein Blick scheint durch mich hindurchzugehen. »Es kam mir ungewöhnlich vor, aber die Entscheidungen einer Senior-Medi wollte ich natürlich nicht infrage stellen.« Er lächelt schwach. »Zumindest nicht bis heute.«
»Das ist wirklich merkwürdig.« Ich muss aufstehen, mich bewegen, im Sitzen kann ich nicht denken. Ich laufe in demkleinen Wohnbereich auf und ab, der kaum größer ist als mein Patientenzimmer. Von Wand zu Wand sind es jeweils nur wenige Schritte, dazwischen stehen der Tisch und die vier Sessel, auf einem davon sitzt Milo und beobachtet von unten mein nervöses Hin und Her.
»Warte«, sagt er nach einer Weile. »Ich zeige es dir.«
Er startet sein SmartSet, und augenblicklich wird eine der interaktiven Zimmerwände weiß. Dann bauen sich vor unseren Augen an der Wand Buchstabenfolgen auf und ein Holo von mir erscheint in der Mitte. Sofort erkenne ich, dass Milo sich in meine Patientendatei des MediCenters eingeloggt hat, zu sehen sind verschiedene Kurven und Zahlen sowie Namen von Medikamenten mit den dazugehörigen Dosierungen. Ich begreife, was dort steht, und bin überwältigt von der Fülle an Informationen über mich selbst, doch ich bemerke auch, dass keiner der Einträge älter als ein paar Wochen ist, sie alle beginnen mit dem Tag meines Erwachens.
Milo steht auf und geht mit wenigen Schritten zur Wand, wo seine Hand augenblicklich beginnt, die einzelnen Datenblöcke zu verschieben und zu vergrößern, zu verbergen und wieder hervorzuheben. Meine Augen folgen seinen schnellen Bewegungen, bis mir ganz schwindelig davon wird.
»Was tust du da eigentlich?«
Milo hält inne. »Ich wollte nur noch mal überprüfen, ob ich wirklich nichts übersehen habe.«
Entschieden schüttele ich den Kopf. »Das hast du bestimmt nicht.« Ich kann mir nicht vorstellen, dass Milo jemals etwas übersieht, dafür arbeitet er viel zu gründlich. »Ich denke, wir müssen an anderer Stelle suchen«, füge ich hinzu.
»Hm?«, macht Milo fragend.
»Erinnerst du dich noch an das, was ich dir über Finn erzählt habe?«, frage ich. »Den Jungen aus meinem Traum«, füge ich hinzu, falls Milo nicht sofort weiß, von wem ich spreche.
»Natürlich«, entgegnet er. »An jedes Wort.« Wie vorhin verschränkt er die Arme vor der Brust, aber die Haltung wirkt dieses Mal nicht ablehnend, sondern nachdenklich.
»Ich habe dir erzählt, dass ich glaube, dass Finn schwer krank war und gekühlt wurde, erinnerst du dich?«, frage ich, um sicherzugehen, dass Milo weiß, wovon ich spreche.
»Natürlich«, bestätigt er noch einmal.
»Und obwohl du behauptet hast, dass es eine Konfabulation sei, bin ich mir fast sicher, dass ich auch gekühlt wurde«, erkläre ich entschieden. »Diese Sache mit den Patientendaten verstärkt diesen Verdacht eigentlich noch«, schiebe ich
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