Frozen Time (German Edition)
Haufen Wäsche. Ich kann mich gerade noch zur Seite rollen, bevor auch Milos Körper in den Sammelcontainer stürzt.
»Puh«, stöhnt er, krabbelt aus dem Wäscheberg heraus und zieht sich ein weißes Unterhemd vom Kopf. Erleichtert seufze ich auf, wir sind ihnen entwischt, zumindest vorerst. Ich sehe Milo an, hoffe auf ein Lächeln von ihm in dieser abstrusen Situation, erwarte zumindest meine Erleichterung in seinem Gesicht gespiegelt zu sehen. Doch stattdessen funkelt er mich wütend aus tiefschwarzen Augen an. Unwillkürlich weiche ich vor ihm zurück und versinke dabei beinahe erneut in den weichen Kleidungsstücken.
»Was ist los?«, wage ich schließlich zu fragen.
»Nichts.« Milos Stimme ist voll mühsam unterdrücktem Zorn. Mit beiden Händen fasst er den Rand des Sammelcontainers und schwingt sich mit einer schwungvollen Bewegung hinaus. Obwohl ich sichtlich Schwierigkeiten habe, ihm zu folgen, bietet er mir keine Hilfe an.
»Milo?«, hake ich vorsichtig nach. Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, aber dieses Mal weicht er vor mir zurück. Wieder starrt er mich mit diesem unergründlichen Blick an.
»Verdammt, Tessa?«, bricht es schließlich aus ihm heraus. »Was wollen die wirklich von dir?«
»Psst!«, mache ich. Ich bin mir nicht sicher, ob die Officer gesehen haben, wie wir durch den Entsorgungsschacht geschlüpft sind. Aber selbst wenn nicht, werden sie nicht aufgeben, uns zu suchen. Wenn sie unsere Stimmen durch den Schacht bis nach oben hören können, wissen sie sofort, wohin wir verschwunden sind. Milo scheint das egal zu sein.
»Psst!«, äfft er mich nach. »Verdammt noch mal, warum sind die dermaßen hinter dir her?«
»Ich weiß es nicht.« Meine flüsternde Stimme wirkt mickrig gegen Milos wütende, laute. Vorhin hat er noch »uns« gesagt, und das hat sich gut angefühlt. Jetzt macht er mich allein verantwortlich, und das fühlt sich so mies an, dass ich auch langsam spüre, wie sich in meinem Bauch die Wut sammelt. »Ich habe keine Ahnung«, gebe ich patzig zurück. »Und das habe ich dir auch gestern schon gesagt.«
»Großartig«, braust er erneut auf. »Und warum musstest du mich in deine Probleme reinziehen? Warum kommst du ausgerechnet zu mir?« Er fährt sich durch die Haare, die ihm sofort wieder ins Gesicht fallen. Seine Wangen wirken gerötet, seine Augen noch immer schwarz.
Davon, dass er mir helfen will, weil er selbst wissen möchte, was hinter all dem steckt, ist plötzlich keine Rede mehr. Ich dachte, wir hätten gerade begonnen, Freunde zu sein. Aber da habe ich mich wohl getäuscht!
»Geh zurück«, fahre ich ihn an. »Ich bin auf deine Hilfe nicht angewiesen. Ich krieg das schon selbst hin.« Keine Ahnung, ob das stimmt. Gestern habe ich noch etwas anderes behauptet, aber ich will nicht, dass er mich länger so wütend anstarrt.
»Zurückgehen, haha.« Noch immer ist Milos Stimme laut, aber darin liegt nicht nur Wut, sondern auch ein Hauch von Resignation. »Als ob das jetzt noch so einfach wäre. Was soll ich den Officern in meinem Appartement denn erzählen? Dass du mich gezwungen hast, dich bei mir übernachten zu lassen? Dass du mich gefesselt und geknebelt hast, damit ich nicht sofort Meldung machen konnte, als du aufgetaucht bist? Nein, das werden sie mir nicht abnehmen. Und selbst wenn … sie werden den Vorfall in meinen Daten erfassen, das wird meine Karrierechancen erheblich beeinflussen, da bin ich mir sicher.«
»Erzähl ihnen irgendwas, sag, dass du gar nicht in deinem Appartement warst, sondern lange gearbeitet hast«, schlage ich vor und weiß selbst, dass die Idee unrealistisch ist, weil Milos Insignal beim Auschecken im MediCenter ebenso erfasst wurde wie am FoodPrinter und am NanoConverter in seinem Appartement.
»Nein, Tessa«, winkt er auch schon ab. »Ich kann nicht zurück. Und das liegt nicht nur daran, dass sie mir keine dieser Geschichten abnehmen würden. Ich kann nicht so weitermachen, als sei nichts passiert! Ich muss wissen, was sie mir verschwiegen haben.«
Auf Milos heftige Worte folgt Stille. Ich weiß nicht, was ich erwidern soll. Und dann hören wir schnelle Schritte. Die Officer! Sie müssen uns in den Keller gefolgt sein. Jetzt haben sie uns! Hektisch sehe ich mich um. Alles, was sich in dem kleinenRaum befindet, sind die Sammelcontainer des Wohnhauses, ein offener für Kleidung sowie drei geschlossene für Nahrungsreste, sonstige Abfälle und Fäkalien. Zurück in den Kleidercontainer? Doch Verstecken ist zwecklos, denn
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