Frozen Time (German Edition)
dem Gesicht und schaut sich um.
Es ist viel los im Park. Im Kopf überschlage ich die Wochentage, seit ich aus dem MediCenter geflüchtet bin, und stelle fest, dass heute Freizeittag sein muss. Deshalb also sind nicht nur die älteren Seniors unterwegs, von denen die meisten ohnehin keiner regelmäßigen Beschäftigung mehr nachgehen, sondern auch viele der jüngeren Seniors, die noch voll im Arbeitsleben stehen.
Sie nutzen die freie Zeit und das schöne Wetter, um im Freien Sport zu treiben. In pastellfarbenen Sportanzügen joggen sie ihre Runden über die Parkwege, wobei sie gelegentliche Blicke auf ihre Insignals werfen, um ihre Trainingseffizienz zu überprüfen. Auch der Freiluft-Fitness-Bereich ist gut besucht, wo die Seniors an ergonomischen Trainingsgeräten ihre Muskulaturoptimal aufbauen können. Gepflegte weiße Haarschöpfe mit farbenfrohen Strähnen glänzen unter der Lichtkuppel, die die Parabolspiegel über uns an den Himmel zaubern.
Alles um mich herum kommt mir bekannt vor. Wirklich bekannt. Der Fitness-Bereich, die verschlungenen Wege des Parks, die ordentlich gestutzten Hecken, ja, hier müssen wir richtig sein, hier muss ich gewesen sein, bevor ich krank wurde. Ich habe allerdings noch immer keine Idee, warum.
»Da geht es lang«, weise ich Milo die Richtung zum FreizeitCenter, und er setzt sich in Bewegung, ohne nachzufragen. Obwohl ich inzwischen sehr aufgeregt bin, bemühe ich mich um ein angemessenes Gehtempo. Wir dürfen nicht auffallen, alle müssen glauben, wir seien unterwegs zu einer Verabredung mit unseren Seniormentoren. Deshalb schaue ich mich auch nicht zu neugierig um, obwohl ich mich kaum zurückhalten kann. Ich möchte wissen, ob ich noch weitere Plätze wiedererkenne, während wir durch die ausgedehnte Grünanlage laufen.
Ein Senior-Paar in bunter Freizeitkleidung kommt uns entgegen, der Mann führt zwei kleine weiße DoggyRobs an einer Leine, die in unterschiedliche Richtungen ziehen. Viele Seniors halten sich solche Haustiere, weil ihre Gesellschaft positiven Einfluss auf das Wohlergehen älterer Menschen hat. Als ich den beiden Vierbeinern instinktiv ausweiche, wird mir bewusst, dass ich diese künstlichen Haustierroboter nicht mag. Das Kribbeln, das meinen Körper erfasst hat, seit wir im Park sind, wird immer stärker. Als würden Erinnerungen unter meiner Haut sitzen, die darauf drängen, nach außen durchzudringen.
»Was ist?«, fragt Milo. Er muss spüren, dass etwas in mir vorgeht.
»Weiß nicht genau«, erwidere ich. Ich will keine falschen Hoffnungen wecken, denn bis auf meine Abneigung gegen DoggyRobs hat es noch keine dieser Erinnerungen bis an die Oberfläche geschafft.
Dann taucht vor uns das FreizeitCenter auf, ich erkenne es sofort. Es ist in einem großen Gebäude alter Bausubstanz untergebracht, das längst nicht so hoch ist wie die FreizeitCenter in den JuniorBlocks; die umliegenden Häuser überragt es dennoch um mehrere Stockwerke. Natürlich wurde das alte Haus von Grund auf renoviert, ein Teil der vorderen Fassade ist entfernt und durch eine Glas-Stahl-Konstruktion ersetzt worden, um es offener wirken zu lassen, und das Dach ist gegen eine Glaskuppel ausgetauscht worden, doch die mächtigen Säulen neben dem Eingangsportal sind ebenso erhalten geblieben wie eine Reihe von verschnörkelten Stuckelementen auf Höhe des früheren Giebels. Und über dem Portal hängt eine riesige goldene Uhr mit einem langen Pendel, das in unablässiger Gleichmäßigkeit die Zeit ausschwingt. Es ist ein imposantes Center, das Altes und Neues geschickt verbindet.
Milo pfeift leise anerkennend durch die Zähne und bleibt stehen, um die Fassade genauer zu betrachten. Ja, das hier ist etwas anderes als die moderneren, aber vor allem funktionalen Center in den Juniorblocks. Trotzdem habe ich keine Geduld, um mich jetzt mit Milo über die architektonischen Schönheiten unserer Metropole auszutauschen. Das Kribbeln in meinem Körper ist beinahe unerträglich geworden.
»Los, lass uns hineingehen.« Ohne auf Milo zu warten, steuere ich bereits auf das Eingangsportal zu, doch nach wenigen Schritten hat er mich eingeholt und stoppt mich.
»Tessa, warte! Du weißt, wovor Robin uns gewarnt hat. Wir dürfen nicht in das Center gehen, sonst lösen wir ohne Insignals einen Alarm aus.«
Das hatte ich tatsächlich verdrängt. Unschlüssig bleibe ich stehen, kann meine Füße aber kaum still halten und wippe nervös auf und ab.
»Aber einen Blick hinein werden wir wohl riskieren
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