Frozen Time (German Edition)
Ich rappele mich hoch und komme schwankend wieder auf die Beine.
»Datenverbindung zu Zentralterminal herstellen«, befehle ich dem SmartSet; meine Stimme klingt, als gehöre sie nicht mir, aber das kleine Gerät befolgt die Anweisung. »Daten übertragen.«
Es dauert wieder nur wenige Sekunden, bis ein leises
Pling
in meinem Ohr die erfolgreiche Datenübermittlung bestätigt. Kaum habe ich die Bestätigung erhalten, schließt mein Finger wie von selbst die Seite mit meinen persönlichen Daten auf dem Terminal. Geschafft, denke ich. Jetzt muss ich nur noch so schnell wie möglich hier verschwinden. Und Doreen natürlich auch.
»Ich danke dir sehr«, sage ich an sie gewandt. »Aber du solltest jetzt wirklich machen, dass du rauskommst.« Doreen nickt.
»Sehen wir uns mal wieder?«, fragt sie. Trotz der Kälte spüre ich eine Welle von Wärme, die meinen Körper für einen kurzen Moment erfasst.
»Wer weiß«, antworte ich und sehe ihr hinterher, als sie durch die Schleusentür geht. Bis hierhin hat mein Plan funktioniert. Niemand wird Doreen beweisen können, dass sie mir wissentlich geholfen hat.
Ich wende mich wieder dem Terminal zu, um das Programm zu beenden. Da fällt mein Blick auf einen Namen, den ich zuvornicht bemerkt habe. Ich muss zu nervös gewesen sein oder zu konzentriert darauf, meinen eigenen Namen zu suchen. Denn ansonsten wäre mir dieser ganz sicher aufgefallen.
Samantha Figger.
Was macht der Name der Präsidentin im
Projekt Frozen Time
?
Ein Verdacht flammt in mir auf, so ungeheuerlich, dass ich es kaum glauben kann. Mein Finger zuckt. Berührt das Screen. Die Daten öffnen sich. Unter dem Bild der Präsidentin und den persönlichen Angaben findet sich ein einzelner Vermerk in roter Schrift:
Zur Verjüngung vorgemerkt, nach erfolgreich abgeschlossener Testphase höchste Priorität.
Endlich begreife ich: Warum
Projekt Frozen Time
für die Regierung auf einmal eine so hohe Bedeutung bekommen hat. Und warum es fortgeführt wird, obwohl Menschen sterben müssen, damit andere leben können. Es geht gar nicht darum, dass Ehrenprogramm der Regierung in einem guten Licht dastehen zu lassen! Es geht auch nicht so sehr darum, die Kritiker zum Schweigen zu bringen. Es geht allein um sie! Um die Präsidentin selbst. Mit ihren 125 Jahren hat sie das Höchstalter beinahe erreicht. Es ist nur noch eine Frage von wenigen Jahren, bis sie sterben wird. Aber offensichtlich ist sie dazu nicht bereit.
Noch während alle diese Gedanken durch meinen Kopf stürzen, habe ich bereits dem SmartSet den Befehl zur Datenübertragung erteilt. Das war’s, denke ich und spüre ein leichtes Triumphgefühl. Mit diesen Beweisen wird es der Präsidentin unmöglich sein, ihre direkte Beteiligung an
Projekt Frozen Time
zu leugnen.
Pling
. Übertragung abgeschlossen.
Ich schließe gerade das Programm, als ich aus dem Augenwinkelsehe, wie das Insignal des Senior-Medi am Boden rot zu blinken anfängt. Als Nächstes wird es zu piepen beginnen und der Alarm im Notfallcenter wird ausgelöst. Höchste Zeit zu verschwinden!
Es sind nur wenige Schritte quer durch den Kryoraum hinüber zu den Kremacontainern. Ich weiß, dass es ganz einfach ist, mich in Sicherheit zu bringen. Ich muss es nur bald tun. Aber ich kann nicht. Ich muss erst etwas zu Ende bringen, bevor es endgültig zu Ende ist.
Wie von selbst dreht sich mein Körper in die entgegengesetzte Richtung, nähert sich vorsichtig den Kryoboxen, in denen die
Frozen
lagern. Während ich durch die Reihen gehe, wandert mein Blick über die starren, weißen Gesichter, bis ich das eine gefunden habe, das die ganze Zeit in meinem Kopf war.
Finn!
Er sieht noch genauso aus wie an dem Tag vor über sechzig Jahren, als wir uns voneinander verabschiedet haben. Genauso bleich. Genauso jung. Genauso unschuldig. Er wirkt, als würde er schlafen. Seine fröhlichen Augen sind fest geschlossen, die Lippen zu einem leichten Lächeln verzogen, als träumte er einen schönen Traum.
Finn lebt oder könnte leben. Sie haben ihre Drohung nicht wahr gemacht, die Apparate, die seinen Körper konservieren, nicht abgeschaltet. Doch meine Erleichterung darüber währt nur einen kurzen Augenblick. Dann wird mir wieder bewusst, dass ausgerechnet ich verhindern werde, dass Finn wieder zum Leben erweckt wird!
Ich bin immer für dich da.
Das hat er mir damals versprochen. Aber im Grunde war esgenau umgekehrt. Ich war immer nur für ihn da. Mein ganzes erstes Leben lang. Und jetzt muss ich ihn im Stich
Weitere Kostenlose Bücher