Frozen Time (German Edition)
ihm in dem schmalen Gang kein Vorbeikommen gibt.
»Vielen Dank für deine Hilfe«, begrüßt der Medi Doreen mit kühler Stimme, man merkt ihm deutlich an, dass er sie so schnell wie möglich wieder loswerden möchte. »Ich übernehme die Patientin jetzt.«
»Ich habe sie im Laborbereich gefunden«, erwidert Doreen, als wäre ihr der abweisende Tonfall nicht bewusst. »Sie scheint inkeinem guten Zustand zu sein. Ich frage mich, wie es ihr überhaupt gelingen konnte, so weit zu kommen.« Doreen geht zwei Schritte auf den Mann zu und zieht mich mit sich. Der Medi strafft die Schultern und macht sich noch breiter, ein klares Signal, nicht näher zu treten, das Doreen ebenfalls missachtet. Ich taste nach dem Injektor in der Tasche des Patientenkittels. Noch zwei Schritte, dann stehen wir so nah vor dem Medi, dass ich durch meinen Haarschleier hindurch eine angestrengt pulsierende Ader an seinem Hals erkennen kann.
»Nun, du weißt sicher am besten, wie ihr zu helfen ist«, fährt Doreen fort, als könnte sie nichts Ungewöhnliches an dieser ganzen Situation finden. Der Medi nickt und will nach mir greifen. Mit einer blitzschnellen Bewegung ziehe ich den Injektor heraus und stoße ihn, noch bevor der Medi begreift, was passiert, direkt in die pochende Ader.
Seine Hände verharren in der Luft, er reißt sie an den Hals hoch, will sich den Injektor aus der Haut zerren, doch dessen Inhalt hat sich bereits in der Blutbahn verteilt. Das Narkotikum wirkt so schnell, wie Milo es versprochen hat. Ein ungläubiger Ausdruck macht sich auf dem Gesicht des Senior-Medi breit, dann bricht er lautlos vor uns zusammen.
»Pack mit an«, bitte ich Doreen. Wir fassen den bewusstlosen Medi unter den Achseln und schleifen ihn gemeinsam quer über den Gang. Gut, dass Doreen da ist, um mir zu helfen; der schlaffe Körper ist so schwer, dass ich allein ihn nicht einmal einen Meter weit ziehen könnte. Ich halte den Arm mit dem Insignal des Medi vor das ScanPad an der Schleusentür, worauf diese augenblicklich aufgleitet und sich automatisch wieder schließt, nachdem wir uns in die schmale Schleuse gequetscht haben. Diezweite Tür öffnet sich und die kalte, sterile Luft schlägt uns entgegen.
»Weiter«, treibe ich Doreen an, die stehen geblieben ist und sich fasziniert in dem Kryoraum umsieht. Ich bemühe mich, meine Konzentration einzig auf das große Terminal in der Mitte des Raumes zu fokussieren und mich nicht von den glänzenden Kryoboxen ablenken zu lassen.
Mein Rücken schmerzt bereits von der ungewohnten Kraftanstrengung, aber mit unverminderter Entschlossenheit zerre ich den bewusstlosen Körper des Senior-Medi weiter. Schnell packt auch Doreen wieder mit an, und gemeinsam gelingt es uns, den Mann über die dicken Schwellen der Versorgungskabel zu hieven, dann stehen wir vor dem immensen Datenterminal und lassen den Körper möglichst sanft zu Boden gleiten.
»Puh«, schnauft Doreen und fasst sich ins Kreuz.
»Du kannst jetzt gehen«, sage ich zu ihr. »Ich danke dir.«
Doch Doreen schüttelt den Kopf. Wieder sieht sie sich mit leuchtenden Augen um. Die Wissenschaftlerin in ihr ist sichtlich beeindruckt von dieser Ansammlung hochtechnisierter Geräte, doch insbesondere scheint sie sich für die
Frozen
selbst zu interessieren, deren Körper unter den Plexiglashüllen der Boxen ruhen, die Gesichter in gefrorener Starre zur Decke gewandt. Langsam nähert sie sich der nächststehenden Kryobox und streicht behutsam mit einem Finger über das glatte Glas. Ich selbst kann den Anblick des jungen Mädchens, das unter der gläsernen Kuppel ruht, kaum ertragen.
Schnell wende ich den Blick ab und konzentriere mich auf meine Aufgabe. Mit einer leichten Bewegung meiner Hand fahre ich über den schwarzen Monitor des Datenterminals, der augenblicklichzum Leben erwacht.
Projekt Frozen Time
erscheint der mir inzwischen bekannte Schriftzug, verschwindet wieder und macht einer Reihe roter Buchstaben Platz:
Bitte identifizieren.
Wieder greife ich nach dem linken Arm des Senior-Medi, der neben mir am Boden liegt. Als ich den Ärmel seines dunkelgrünen Kittels hochschiebe, sehe ich, dass sein Insignal sich rötlich verfärbt. Das ist gut und schlecht zugleich. Die Narkose muss sehr tief sein, er wird also nicht so schnell aufwachen. Doch es bedeutet auch, dass sein Puls unter den Normbereich gefallen ist. Sollte sich sein Zustand verschlechtern, wird das Insignal einen Alarm ans Notfallcenter senden, das ihn orten und Medis schicken wird, um ihn
Weitere Kostenlose Bücher