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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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leid», flüsterte Merrily. «Ich weiß nicht, was   … Ist der Bischof   …?»
    «Er hat den Gottesdienst übernommen», sagte Onkel Ted. «Mach dir keine Sorgen.»
    «Wo ist Jane?»
    «Ich bin hier, Mom.» Sie klang verängstigt.
    «Oh Gott.» Eine weiße, nackte Gestalt, so blass wie geäderter Carrara-Marmor, kroch immer noch in ihren Gedanken herum. «Was hab ich nur getan?»
    «Dir ist schlecht geworden», sagte Onkel Ted. Seine Stimme klang reserviert.
    Die blasse Gestalt war ihn ihr, bohrte sich durch ihren Körper wie ein weißer Wurm. Sie bekam einen galligen Geschmack im Mund und setzte sich mit der Hand am Hals auf. Jemand hatte ihr den Priesterkragen abgenommen.
    Sie hatte ihren Eid nicht zu Ende gesprochen.
    In der Kirche tönten Orgelklänge. Pause. Dann begann die Gemeinde zu singen.
    Ich habe meinen Eid nicht abgelegt!
    «Ich muss zurück. Ich habe   …»
    «Jemand begleitet Sie nach Hause», sagte Dr.   Asprey.
    «Nein   … Bitte.» Der Gedanke, in das riesige leere Spukhaus zurückzugehen, jagte ihr plötzlich Angst ein.
    «Entspannen Sie sich einfach», sagte Asprey.
    «Was soll ich jetzt nur machen? Was soll ich nur machen?»
    «Sie gehen nach Hause, legen sich ins Bett und schlafen sich mal in aller Ruhe aus. Morgen sehe ich nach Ihnen.»
    Sie starrte ihn an. Hatte er noch mehr solche albernen Ratschläge parat? Sie sollte sich in diesem Pfarrhaus mal in aller Ruhe ausschlafen? Sie wollte ihn auslachen. Ihn anschreien. Schreien und schreien.
     
    Ein kleiner Schatten löste sich aus der Hecke an der Blackberry Lane. Lol dachte, es wäre eine Ratte, bis der Schatten vor seine Füße rollte.
    Als er sich hinunterbeugte, stieß der Schatten einen leisen Klagelaut aus.
    Er kniete sich hin, doch als er sie anfassen wollte, fauchte sie, versuchte ihn mit den Krallen zu erwischen und wollte aufstehen, schaffte es aber nicht. Er spürte Feuchtigkeit an den Fingern. Blut.
    «Oh nein.»
    Er hatte sie in der Küche eingesperrt, mit genügend Futter und Wasser, oder?
    Sie jammerte, als er sie hochnahm und unter seine Jacke schob. Durch sein Hemd spürte er, wie sie zitterte.
    Im Cottage waren alle Lichter an. Das Wohnzimmerfenster stand weit offen, und die Musik waberte heraus. Es war Nick Drakes ‹Black-eyed Dog›, der Todessong. Die Anlage war so laut aufgedreht, dass die Töne verzerrt wurden und die Gitarrenakkorde, die ohnehin nur eingestreut waren, noch mehr zerhackten.
    Lol sah Karl Windlings breitschultrige Silhouette in dem Sessel vor dem offenen Fenster. Er sah in den Raum. In Richtung der offenen Küchentür.
    Nick sang, dass ein Hund mit schwarzen Augen an seine Tür gekommen war und dass er wieder jemanden haben wollte. Er wollte wieder jemanden haben, und der kannte Nicks Namen. Unter Lols Jacke fiepte Ethel, die kleine schwarze Katze, vor Schmerz. Auf dem Wohnzimmerteppich vor der Küchentür lag überall Katzenstreu und Futter.
    Und im Vorgarten lagen überall riesige weiße Apfelblüten. Dann war der Song zu Ende, und Karl Windlings Schatten füllte das Fenster einen Moment lang aus, bevor die Nadel mit einem schrecklich scharrenden Geräusch quer über die Schallplatte gezogen wurde.
    Lol bemerkte, dass die weißen Blüten im Garten in Wirklichkeit die zerrissenen Seiten eines Buches waren. Er hob eines der Papierstücke auf und las im Licht, das aus dem Fenster drang, was darauf stand.
    … alle Menschen zu lieben in allen Zeitaltern, alle Engel, alle Welten, ob sie himmlisch oder irdisch sind   … Alle und alles zu lieben   …
    Das Haus von einem gewalttätigen Typ besetzt, das Buch zerrissen, das Album zerstört, die Katze halb zu Tode getreten. Lols Leben war ein einziger Scherbenhaufen.
    Karl war inzwischen bestimmt total stoned. Das machte er immer so: Zuerst ein netter kleiner Gewaltausbruch und dann ein dicker Joint, damit alles nochmal so schön wurde. Lol überlegte, ob er hineingehen sollte, es war schließlich sein Haus und   …
    Aber Karl kannte Lol viel zu gut. Er wusste, dass er sich weder schlagen noch einen ordentlichen Hass auf jemanden entwickeln konnte. Er wusste, dass Lols Spezialgebiet das Angsthaben war.
    Lol drehte sich um. Ethel unter seiner Jacke maunzte nicht mehr, doch er selbst stieß einen kläglichen Jammerlaut aus, als er von seinem Haus weg in die dunkle Blackberry Lane ging.
     
    Sie kam sich vor wie ein Kinderschänder, der aus dem Gerichtssaal geführt wird. Während die Gemeinde sang, wurde Merrily Watkins, in eine Decke gehüllt, aus

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