Frucht der Sünde
Gerede noch bezwecken willst», sagte Lloyd. «Es ist deine eigene Schuld. Wir haben eigentlich auch so schon genug zu tun, mit dem Festival und so weiter.»
«Was hat … was hat Lucy deinem Vater erzählt? Worüber hat er sich so aufgeregt?»
«Das geht dich nichts an», sagte er unfreundlich.
«Ich bin sicher, dass sie das nicht wollte.»
«Ach, da bist du also sicher, ja?»
«Vermutlich war alles nur ein Missverständnis. Es kann leicht passieren, dass man etwas falsch versteht. Wenn du mich gehen lässt …»
Sie beendete den Satz nicht, denn Lloyd hatte sich drohend vor ihr aufgebaut.
«Du hältst uns wirklich für blöd, was?»
«Nein … Nein, das tue ich nicht.»
«Versuchst mir hier was vorzusäuseln, als wär ich ein Verrückter oder so was. Jane,
so ist es nicht
. Wir sind ganz einfache Leute und dienen unserer Gemeinde, so gut wir können, und zwar schon seit vielen Generationen.»
Er war wirklich genauso ein Museumsstück wie diese Cider-Presse.
«Und außerdem habt ihr immer den Bull-Davies gedient, oder?», sagte sie. «Den Bulls.»
«Unsere Familien halten schon seit vielen Jahren enge Verbindung,das stimmt. Aber wir
dienen
ihnen nicht. Die Zeiten sind vorbei. Wir
respektieren
sie, und sie respektieren uns. Es ist der gegenseitige Respekt, der die Gemeinden auf dem Land zusammenhält. So etwas gibt es in der Stadt nicht, deshalb habt ihr dort auch diese ganzen Verbrechen und Drogen.»
«Was?» Sie konnte sich nicht mehr beherrschen. «Du hast gerade einen Mord gestanden!»
«Gestanden? Du nennst mich einen gewöhnlichen Kriminellen, Miss? Als ob es
falsch
gewesen wäre, diese Frau daran zu hindern, weiter ihre Lügen zu verbreiten und damit die Gemeinschaft und den Respekt in unserem Dorf zu gefährden? Wenn hier etwas kriminell ist, dann das, Jane.»
Unwillkürlich duckte sich Jane unter seinem wütenden Gebrüll. Doch das schien ihn nur noch mehr anzustacheln.
«Ich warte jetzt nicht mehr», sagte er. «Vater kommt anscheinend noch nicht zurück.»
«Warum fährst du nicht los und siehst nach, wo er bleibt?»
«Halt den Mund, Jane, sonst …»
Er trat einen Schritt zurück und zog etwas aus seiner Jeanstasche. Jane schrie auf.
«Ist nur ein Handy, Jane.» Er klappte das Telefon auf. «Hab ihn schon zwei Mal angerufen, aber er stellt sein Handy in der Kirche ab. Gehört sich so.»
Er wählte und hielt das Telefon ans Ohr. «Komm schon, Vater. Komm schon. Ist schon komisch …» Seine Lippen kräuselten sich spöttisch. «Hab zuerst gedacht, du wärst anders. Hab sogar gedacht, in ein oder zwei Jahren könnte eine ganz annehmbare Frau aus dir werden. Komisch, wie einen der erste Eindruck täuschen kann.»
«Lucy Devenish hat uns darauf gebracht», sagte Merrily. «Möglicherweise ist ihr die Idee erst gekommen, als ich hier aufgetauchtbin. Ich glaube nicht, dass sie einen Beweis hatte, aber sie hat bestimmt geglaubt, dass sich ein Beweis finden ließe.»
Das Erstaunliche war nicht, dass alle – einschließlich James Bull-Davies und Alison Kinnersley – nach Merrilys Eröffnung überrascht gewesen waren, das Erstaunliche war, dass niemand skeptisch zu sein schien. Die meisten waren eindeutig neugierig. Bull-Davies wirkte verwirrt und unzufrieden. Nur Garrod Powell hatte wie üblich keine Miene verzogen.
Merrily fühlte sich seltsam entspannt. Mit einem Mal war auch der Druck von ihrer Brust verschwunden.
«Es besteht kein Grund, daran zu zweifeln, dass Wil Williams tatsächlich ein Protegé Susannah Hoptons war, die sie in den 1660ern kennengelernt hatte. Es ist ohnehin wahrscheinlicher, dass Mrs. Hopton eine junge Frau in ihren Haushalt aufgenommen hat als einen Mann. Es ist auch wahrscheinlicher, dass ein Bauer in Geldnöten eine Tochter gehen lässt als einen Sohn. Und die tiefgläubige Mrs. Hopton war zweifellos fasziniert von einer Person, die dem christlichen Dasein so ergeben war, dass sie dafür sogar ihre Weiblichkeit aufgeben wollte.»
«Damit ich das recht verstehe, Mrs. Watkins», sagte Bull-Davies. «Sie behaupten also, dass es Williams geschafft hat, sich durch die Universität zu schwindeln und die Kirche von England hinters Licht zu führen, sodass er – oder sie – als Mann akzeptiert wurde und dann auch noch mehrere Jahre als Geistlicher arbeiten konnte, ohne dass jemals …»
«Ja.»
«Das ist lächerlich. Damit würde niemals jemand durchkommen.»
«Haben Sie schon einmal etwas von Hannah Snell gehört,
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