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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Kartoffeln hing in der Luft. Das Cider-Haus war widerwärtig. Jane konnte sich nicht vorstellen, dass der Engelswein hier hergestellt worden war.
    Doch die ganzen Gerätschaften dazu waren da. Die Obstmühle bestand aus einer großen Steinwanne und einem riesigen steinernen Rad, mit dem die Äpfel in der Wanne zerdrückt wurden. Der Mühlstein wurde von einem Pferd bewegt, das im Kreis um die Steinwanne ging, oder von ein paar kräftigen Männern, die gemeinsam gegen die umlaufende Stange drückten. Daneben stand eine Presse. Sie sah aus wie eine riesige Druckerpresse. Sie bestandaus einem großen Holzgerüst, aus dessen Mitte eine enorme hölzerne Schraube emporragte. Hier wurde der Saft aus den zermahlenen Äpfeln gepresst.
    Über der Obstmühle war eine Art Heuboden, auf dem Berge schwarzer Müllsäcke lagen. Äpfel waren keine zu sehen, aber bis zur Apfelernte dauerte es auch noch ein paar Monate.
    Jane hockte auf dem Boden und lehnte sich an die Wand. Obwohl ihr die Geräte wie mittelalterliche Folterinstrumente erschienen, versuchte sie sich den Herstellungsprozess in allen Einzelheiten vorzustellen. Sie sprach vor sich hin, als würde sie das Prozedere einer Gruppe von Besuchern beschreiben. Das meiste davon stimmte so wahrscheinlich nicht, aber sie wollte unbedingt an etwas Normales denken.
    «Natürlich spielte Hygiene bei der Cider-Produktion in früheren Zeiten keine besonders große Rolle», flüsterte Jane. «In vielen Regionen soll sogar die Überzeugung geherrscht haben, dass eine tote Ratte in der Apfelmischung für eine besonders gute Geschmacksnote sorgt.» An dieser Zutat würde in dieser verkommenen Scheune jedenfalls kein Mangel herrschen.
    Doch sosehr sie sich auch bemühte, immer wieder kehrten ihre Gedanken zu Lucy zurück. Wie konnte Lloyd so sachlich darüber reden, dass sie
wegmusste
? Und was konnte Lucy zu Councillor Powell gesagt haben, um ihn so aufzubringen, dass er beschloss, sie umzubringen?
    Jane musste lachen. War sie jetzt hysterisch?
    Dann wurde mit einem Knarren die große Eichentür geöffnet, und Lloyd kam wieder herein. «Er ist noch nicht zurück», sagte er mürrisch. «Hat gesagt, er wäre vor zehn Uhr wieder da.» Misstrauisch starrte er Jane an. «Warum lachst du? Was hast du gemacht?»
    Normalerweise hätte sie gesagt: ‹Das würdest du wohl gerne wissen.› Aber so etwas hatte bei Lloyd keinen Zweck. Er verstand weder Sarkasmus noch Ironie. Es lag nicht daran, dass er nichtintelligent gewesen wäre. Das war er auf seine eigene Art. Aber er nahm alles wörtlich.
    «Nichts», sagte sie. «Ich habe überhaupt nichts zu lachen. Ich verstehe nicht, warum du das mit mir machst. Glaubst du nicht, dass ich inzwischen schon gesucht werde?»
    Lloyd wirkte geradezu beleidigt. «Niemand würde jemals
hier
suchen! Vater ist
Friedensrichter
. Früher war er im Polizeiausschuss. Großvater war jahrelang Vorsitzender des Bauamts. Und Urgroßvater sollte Bürgermeister von Hereford werden, aber er ist vorher gestorben.»
    Es hörte sich an wie eine auswendig gelernte Lektion.
    «Ich vermute, du wirst auch für den Gemeinderat kandidieren», sagte Jane.
    «Ja, wenn ich fünfunddreißig bin.»
    «Ach du Scheiße», sagte Jane.
    «Nette Ausdrucksweise für eine Pfarrerstochter.»
    «Ach ja?» Jane sprang auf. «Und wie nett ist es, eine Pfarrerstochter in diesem widerlichen Drecksloch festzuhalten?»
    «Zwei Punkte», sagte er unbeeindruckt. «Erstens: Mein Vater war gegen die Berufung deiner Mutter, aber er war bereit, sie aus Rücksicht auf die demokratischen Regeln zu unterstützen. Zweitens: Du wärst überhaupt nicht hier, wenn du dich nicht wie eine liederliche Schlampe aufgeführt hättest.»
    Jane fuhr sich mit der Hand über die Augen. Das konnte alles nicht wahr sein. Wie konnte er sie so behandeln? Der gutaussehende, schlanke, muskulöse Lloyd Powell, der jede Wahl zum attraktivsten Jungbauern gewonnen hätte, falls es so etwas gab. Warum war das alles nicht einfach nur ein schrecklicher Alptraum?
    Jane blinzelte. Aber Lloyd war immer noch da.
    «Und wir haben immer gesagt, du siehst aus wie ein junger Paul Weller.»
    «Wer ist Paul Weller?»
    «Vergiss es.»
    «Ist mir auch egal», sagte Lloyd. «Ich wollte dir nur sagen, dass Vater noch nicht zurück ist, und wenn er zurück ist, bringe ich ihn zu dir, und dann wird er entscheiden.»
    «Was entscheiden?»
    «Das weißt du genau», sagte er.
    Frag nicht mehr.
Sie biss sich auf die Lippe.
    «Ich weiß nicht, was du mit deinem

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