Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
wirklich frei fühlen, nicht einmal in ihrem geliebten Apfelgarten.»
    Sie sah die Bilder vor sich, während sie sprach. Merrily hatte das Gefühl, eine Vision zu erleben.
    «Also hat sie sich einen Ort für sich selbst gesucht. Einen dunklen, verborgenen Platz, an dem sie vielleicht auch Frauenkleidung versteckt hat. An dem sie sich nachts in losen, geradezu schamlosen Gewändern bewegen konnte. Jedoch immer leise, sodass niemand sie hörte. Und dieser Ort war der Speicher des Pfarrhauses.»
    Ich habe sie gesehen. Oh Gott, ich habe sie gesehen.
    Merrily dachte an Jane, die sich vom ersten Augenblick an vom obersten Stockwerk angezogen gefühlt hatte. An die Mondrian-Wände, die zu einem Apfelgarten geworden waren. Hatte Wil Williams dort davon geträumt, als Frau in den Apfelgarten zu gehen? Hatte sie diese kleinen goldenen Lichter zwischen den Zweigen gesehen, die auch Jane an ihrem Cider-Abend wahrgenommen zu haben glaubte? Hatte sich die Gegenwart – der Geist – des Apfelgartens dort manifestiert?
     
    Es war inzwischen fast Mitternacht. «Also gut», sagte Gomer, «ich erzähle dir, warum ich diese Powells nicht leiden kann.»
    Lol wurde langsam sehr unruhig. Er wusste zwar nicht, wasam besten zu tun wäre, aber er wollte es tun. Ob Gomer sich wohl kurzfassen würde?
    «Is keine lange Geschichte.»
    Sie begann ungefähr vor fünfzehn Jahren oder so, als Gomer von Rod damit beauftragt worden war, einen Entwässerungsgraben anzulegen. Es war dieser heiße Tag, an dem er ein bisschen von Edgars ausgezeichnetem Cider aus den Roten Pharisäern getrunken hatte. Allerdings waren Edgar und Rod an diesem Tag auf dem Viehmarkt gewesen, und den Cider hatte ihm Jennifer Powell angeboten.
    «Jennifer war’s. Jennifer Powell. Jennifer Adair, die in der Küche vom
Black Swan
gearbeitet hat.»
    «Lloyds Mutter?»
    «Un Rods Frau, ein verteufelt hübsches Mädchen war das, kann ich dir sagen. Zu der Zeit war sie so ungefähr dreißig, un Lloyd war zehn, un Rod war über vierzig. Die Powells wollen immer jüngere Frauen, un heiraten tun sie spät.»
    Jedenfalls hatte Gomer bemerkt, dass Jennifer geweint hatte, und es war klar, dass ihre Schwiegermutter, Meggie Powell, der Grund dafür war.
    «War gebaut wie ein Zuchtbulle, un das Gesicht hat auch dazu gepasst», sagte Gomer. «Besonders weiblich war sie nich gerade. Als bei der Grippeepidemie 59 die halbe Belegschaft vom Schlachthaus in der Old Barn Lane weggestorbn is, is sie vierzehn Tage eingesprungen. So ’ne Art Weib war das, verstehst du? Gute Frau für Edgar, in jeder Hinsicht. Un ’ne gute Mutter für Garrod, auch in jeder Hinsicht. In
jeder
Hinsicht   … verstehst du?»
    «Nein», sagte Lol unbehaglich.
    «War garantiert die hundertste Frau, mit der Edgar im Bett war, aber für Rod war’s die erste.»
    «Das meinen Sie nicht ernst.»
    «Das war damals so ziemlich normal, mein Junge, jedenfallsin manchen Familien. So was wie sexuelle Aufklärung. Na ja, normal war’s vermutlich doch nich, aber nich ungewöhnlich. Bring’s ihnen bei, wenn sie jung sin. Warn eben Selbstversorger. Kümmer dich um deine Sachen un bau kein’ Mist, un wenn du Mist baust, dann bring ihn selber in Ordnung. Un vor allem:
Halt den Deckel drauf

    Tja, so war eben das Landleben in den alten Zeiten. Jeder wusste über jeden Bescheid, aber alle hielten den Mund. Und wenn jemand Schwierigkeiten machte, wurden sie allein damit fertig. So oder so.
    Die Powells, so erzählte Gomer, hatten sich ihre Frauen immer sehr sorgfältig ausgesucht. Schönheit stand dabei nicht an erster Stelle, sie mussten andere Qualitäten besitzen, um die Powell-Traditionen fortführen zu können. Wenn man es so betrachtete, hatte Rod mit Jennifer Adair keine kluge Wahl getroffen, denn als ihr Meggie an dem Tag, an dem Gomer den Entwässerungsgraben aushob, eröffnete, was von ihr in ein paar Jahren in Bezug auf Lloyd erwartet wurde, heulte sie sich bei Gomer aus.
    «Un von allem andern abgesehn, konnt sie nich mal den bloßen Gedanken ertragen, weiter mit einem Kerl im Bett zu liegen, der mit seiner Mutter geschlafen hatte.»
    «Und was ist dann passiert?»
    «Ich hab ihr hundert Pfund gegeben un sie nach Hereford zur Bahn gefahren. Sie is nie wieder zurückgekommen. Un Lol – kein Wort darüber. Wenn Rod das rauskriegt, bin ich ein toter Mann, un das is kein Spruch. Hinter seiner gleichgültigen Miene steckt nämlich ein eiskalter Bastard. Hat nie wieder geheiratet, misstraut den Frauen, er hasst sie richtig.

Weitere Kostenlose Bücher