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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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sich auch immer eine geeignete Waffe. Jane dagegen suchte das Cider-Haus vergeblich ab. Sie untersuchte die Apfelpresse und wühlte sich durch das Heu. Nichts. Nichts.
Nichts.
    Sie lief an den Wänden entlang, um festzustellen, ob vielleicht ein paar Ziegel lose waren und sie entkommen könnte. Nein. Dann fiel ihr der Heuboden über der Obstmühle wieder ein. Es war einen Versuch wert. Vielleicht könnte sie sich dort oben verstecken und irgendetwas auf ihn herunterfallen lassen.
    Eine Leiter gab es nicht, aber vermutlich könnte sie von dem runden Mahlstein aus hinaufklettern. Sie hievte sich auf das Rad und stellte sich dabei vor, es würde irgendwie herunterfallen, sodass sie am Rand des Heubodens an einem Balken hinge. Aber das Rad war so fest wie ein Felsen. Von dort aus gelang es ihr erstaunlich leicht, sich auf den Heuboden zu ziehen und sich zwischen die schwarzen Müllsäcke rollen zu lassen.
    Hier oben war es viel heller, denn die Neonröhre hing sehr dicht am Heuboden. Jane kroch ganz nach hinten.
    Als sie sich zitternd in den Winkel zwischen der Dachschräge und dem Heuboden duckte, wurde ihr die Ausweglosigkeit ihrer Situation erst richtig bewusst. Kalte Angst kroch durch ihren Körper. Sie warf sich auf die Müllsäcke und unterdrückte ein Schluchzen.
Mom, bitte such nach mir. Bitte, bitte

    Ein beißender Geruch stieg von den Müllsäcken auf.
    Es war kein Geruch, den sie kannte, aber sie hatte das grässliche Gefühl, dass sie ihn kennen sollte.
    Ohne nachzudenken, zog sie die Säcke auseinander und zerrte schließlich den auf, der zuunterst lag.
    Zum Vorschein kamen feuchtes Haar und weiche weiße Haut,die im Neonlicht violett schimmerte. Und weit aufgerissene, hervortretende Augen und die breiten, vollen Lippen, aus der die Zunge hing wie bei einem Hund.
    Der diamantene Nasenstecker glitzerte im kalten Licht.

53   Zusehen
    «Ich bin ein alter Trottel», sagte Gomer. «Seh sogar wie einer aus, sagen die Leute. Un meine Frau wird mindestens einen Monat nich mit mir reden wegen dem, was ich heute Abend schon alles verbrochn hab. Un jetzt, mein Junge? Was solln wir jetzt machen?»
    «Zum Cider-Haus gehen?»
    «Zum Cider-Haus, in das die Bulls ihre Frauen geschleppt ham un das inzwischen den Powells gehört? Als ich gehört hab, wie Tess Roberts heut Abend davon gesprochen hat, bin ich unruhig geworden. Musste rausgehen, eine rauchen. Keine Ahnung, was sie in dem Cider-Haus machen, Cider isses jedenfalls nich.»
    «Wo liegt es eigentlich?»
    «Am Ende vom Feld, auf der andern Seite von der neuen Straße. Da sin eine Scheune, ein Schafstall un eben das Cider-Haus. Außerdem war da noch ein kleines Cottage von ’nem Schäfer, aber das is schon vor Jahren abgerissen worden.»
    «Sollen wir nicht mal nachsehen?», sagte Lol. «Damit wir beruhigt sind?» Er meinte damit vor allem sich selbst. Wenn sie Jane gefunden hätten, dann hätte er gesagt: Stell dir mal vor, was ich heute Abend alles erfahren habe. Wir müssen mit Merrily darüber reden.
    Aber sie hatten Jane nicht gefunden.
    «Die Kleine ist unberechenbar, Gomer. Kommt und geht, wiesie will. Hat ihren eigenen Kopf. Sie könnte jetzt genauso gut schon wieder im Pfarrhaus sein.»
    «Na gut, Junge, ich sag dir, was wir machen.»
    Gomer würde durch den Apfelgarten in Richtung des alten Bowlingfeldes zurückgehen und feststellen, ob Jane wieder in der Kirche oder im Pfarrhaus aufgetaucht war. Und dann würde er mit seinem Jeep losfahren, der auf dem Marktplatz stand. Lol sollte inzwischen mit der Taschenlampe weiter im Apfelgarten nach Jane suchen und auf der Seite der neuen Straße herauskommen. Dort würde ihn Gomer in ungefähr einer halben Stunde abholen.
    «Auf die Art ham wir beide Seiten abgesucht. Wenn sie im Apfelgarten is, wird einer von uns beiden über sie stolpern   …» Gomer unterbrach sich. «Tut mir leid, wollt damit nich sagen   …»
    «Ihr ist bestimmt nichts passiert», sagte Lol. «Ihr passiert nie etwas.» Und als ob es wahrer würde, wenn er es wiederholte, sagte er noch einmal: «Ihr passiert nie etwas.»
    Doch als Gomer gegangen war, verschmolzen in seiner Phantasie Garrod und Lloyd Powell zu Karl Windling, und die Apfelbäume in ihrem weißen Blütenkleid standen um ihn herum wie alte Druiden bei einem unheimlichen, feierlichen Ritual, und er glaubte so gar nicht mehr, dass Jane nichts passiert war.
    Er mochte sie sehr. Das konnte er jetzt ohne Probleme sagen. Es war in Ordnung, ein fünfzehnjähriges Mädchen zu

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