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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Aktenmappe auf den Tisch, zog sein Jackett aus und ließ sich auf einen Stuhl gleiten. Alles in einer einzigen fließenden Bewegung.
    «Nein, keineswegs.» Terrence Cassidy raffte seine Papiere und seine Würde zusammen.
    «Doch», knurrte Bull-Davies.
    Das war überflüssig, dachte Merrily. Doch niemand schien ihn gehört zu haben. Der noble Gutsherr spielte keine Rolle mehr. Eine neue, mächtige Energie dominierte die Versammlung.
    «Hrm, Richard   …», Cassidy erhob sich halb, «…   ich möchte Sie mit unserer neuen Pfarrerin bekannt machen, Merrily Watkins.»
    «Ein reizender Name», sagte Richard Coffey gedehnt.
    Merrily hatte ihn nie zuvor persönlich gesehen. Sein Anblick wirkte fast schockierend. Er hatte den zähen, muskulösen Körper eines alternden Balletttänzers, und zwar in einem Stadium, in dem die Erhaltung der Fitness zu einer krankhaften Obsession geworden zu sein schien. Sein hageres, pockennarbiges Gesicht war mit hektischen roten Flecken übersät. Merrily fühlte sich an die Porträts von Lucian Freud und Francis Bacon erinnert. Ein Gesicht voller Lebensspuren, von dem man ablesen konnte – auch wenn man nicht die Klatschspalten las   –, dass dieses Leben exzessiv geführt wurde. Merrily starrte Richard Coffey so lange fasziniert an, bis sich Cassidy räusperte.
    «Tja, also   …», hörte sie sich sagen, «…   ich bin an Weihnachten geboren, und meinem Vater hat dieses Weihnachtslied ‹Ding Dong Merrily› so gut gefallen, also   …»
    Coffey lächelte mit seinen vollen, rotweinfarbenen Lippen.
    «Ganz schön dumm, wenn man ehrlich ist», sagte Merrily. Und genauso fühlte sie sich auch.
    «Wir sollten keine Zeit mehr verschwenden.» Terrence Cassidy klopfte mit seinem Stift auf den Tisch. «Sie alle kennen Richard als einen unserer berühmtesten zeitgenössischen Autoren für die Bühne und das Fernsehen. Er lebt jetzt zeitweise in der Lodge von Upper Hall, und wir sind sehr froh darüber, dass er sich unser Dorf ausgesucht hat, um am Wochenende auszuspannen.»
    «Ich habe vielmehr den Eindruck, dass sich das Dorf mich ausgesucht hat», schnurrte Coffey bescheiden.
    Merrily sah Bull-Davies die Augen zur Decke verdrehen. Sie stellte sich eine Sprechblase über seinem Kopf vor.
Blöde kleine Schwuchtel.
Er hatte mehr mit Coffey zu tun gehabt als irgendwer sonst im Dorf. Das Pförtnerhaus, die ‹Lodge›, von Upper Hall standnaturgemäß an der Auffahrt zu Upper Hall und war über Generationen von den Jagdaufsehern der Bull-Davies bewohnt worden.
    Cassidy nickte. «Und wir sind entzückt von Richards Plan, bei unserem Ledwardine Festival ein Stück zur Uraufführung zu bringen, das eine recht   …, recht unglückselige Episode unserer Geschichte zum Thema hat. Unglückselig, aber dennoch faszinierend. Abgesehen von dem Thema weiß auch ich noch nichts über das Projekt. Daher habe ich Richard gebeten, uns heute Abend so viel davon zu erzählen, wie es ihm in diesem Stadium des kreativen Prozesses möglich ist.»
    «Ich danke dem Vorsitzenden.» Richard öffnete seine Aktenmappe und zog einen Stapel Papiere heraus. «Ich sollte vielleicht zu Beginn sagen, dass es mir sehr unrealistisch erscheint, noch in diesem Sommer oder Herbst eine vollständige Produktion mit kompletter Besetzung auf die Bühne zu bringen.»
    «Aber ich   …» Cassidy rang um Fassung. Sein schöner Plan drohte ihm zwischen den Fingern zu zerrinnen. Child hob aufmerksam den Kopf.
    «Sie können dennoch beruhigt sein, Terrence – was ich im Sinn habe, wird ebenfalls ein besonderes Ereignis werden. Es wird die Neuschöpfung eines vergangenen Geschehens an seinem authentischen Ort. Meiner Meinung nach wird es nicht nur eine Art Exorzismus sein und den guten Namen eines zu Unrecht verurteilten Mannes wiederherstellen, sondern auch ein dreihundert Jahre altes Geheimnis lüften.»
    «
Mehr
haben Sie nicht vor?», erkundigte sich Bull-Davies säuerlich.
    Ja, dachte Merrily, es würde Bull-Davies ziemlich verärgern, wenn ein prominenter Londoner Eindringling, der die ehrwürdige Lodge von Upper Hall in eine zweifelhafte Wochenend-Absteige verwandelt hatte, in der Dorfgeschichte nach Sensationen stocherte. Hatte er Coffeys vieldiskutiertes Fernsehstück
Das gläserne
Verlies
gesehen, in dem ein einsiedlerischer Earl mit seiner Schwester eine inzestuöse Beziehung unterhielt, bis der bösartige Butler alles an die Öffentlichkeit brachte?
    Coffey schien den schlechtgelaunten Bull-Davies nicht als den Besitzer

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