Frucht der Sünde
ziehen konnten. Merrily dachte an Janes Formulierung von einem Siebzehntes-Jahrhundert-Schmuddelvideo, und ein flüchtiges, silbriges Bild erstand vor ihrem inneren Auge. Sie wurde rot.
«Tja, schön für ihn.» Dermot Child lachte, als wollte er die unbehagliche Stimmung vertreiben, die sich in der Runde ausgebreitet hatte.
«Das kann man wohl kaum sagen, oder?», erwiderte Coffey. «Denn die Behauptung dieses vermutlich betrunkenen Gerbers und die daraus entstehenden Gerüchte führten dazu, dass Williamsvon einer Delegation, der sowohl der Friedensrichter als auch der Dorflehrer angehörten, offiziell der Hexerei angeklagt wurde.»
Ein metallenes Stuhlbein schabte über den Holzboden. James Bull-Davies erhob sich verärgert.
«Ich gehe jetzt. Ich bin im Pub. Sie können mir Bescheid sagen, wenn Sie mit diesem Mist fertig sind.»
«James …» Erschrocken stand auch Cassidy auf.
Doch Bull-Davies ging zur Tür, ohne sich umzudrehen.
8 Der Feierabend-Club
Jane schwitzte. Sie trank noch einen Schluck Cider, um sich abzukühlen. Er war süß und mild. Sie hatte noch nie zuvor Cider getrunken. Es war unglaublich, man schmeckte tatsächlich die Äpfel.
Es war ziemlich schummrig im
Ox
. Fast wie in einer Kirche. Und die Lichter der Spielautomaten schimmerten auch wie die bunten Scheiben der Bleiglasfenster einer Kirche. Die Atmosphäre hatte sie an die peinliche Szene erinnert, als sie ihre Mutter beim Beten gestört hatte. Und dann hatte Mom noch versucht, mit ihr darüber zu reden.
Sie hatte Colette davon erzählt, doch Miss Cassidy gab sich unbeeindruckt. «Wenigstens macht sie keinen Lärm beim Beten. Meine Mutter schreit mittlerweile ziemlich viel herum. Sie schreit meinen alten Herrn an, die Putzfrau, den Koch und die Kellnerinnen. Dabei schimpft sie nicht mal, sie ist einfach nur laut. Sie nennt es Selbstbehauptung. Sie war in so einem Kurs zur Bewältigung der Menopause – wenn du nicht mehr jung und knackig bist, musst du dich eben auf andere Art behaupten oder so.»
Jane sagte nichts dazu. Jeder wusste, dass Colettes Eltern die Höchststrafe waren.
«Man muss es einfach akzeptieren», sagte Colette. «Eltern bringen einen immer in die peinlichsten Situationen, dafür sind sie da. Wenigstens ist deine Mutter jung.»
«Und paranoid. Sie ist überzeugt davon, dass ich den gleichen Fehler wie sie mache. Schwanger werden, bevor ich zwanzig bin, verstehst du. Hat nicht mitbekommen, wie sich die Zeiten geändert haben. Sie musste sich noch einen Bart ankleben oder so, wenn sie sich heimlich in die Apotheke geschlichen hat. Inzwischen bekommt man an jeder Ecke Kondome. Aber für mich spielt das sowieso keine Rolle. Ich werde garantiert
nie
schwanger. Kein Mensch mit einem Funken Verantwortungsgefühl setzt heutzutage noch Kinder in die Welt.»
«Du solltest ihr sagen, dass sie einen Kondomautomaten am Kircheneingang aufhängen soll», meinte Colette. «In solchen dunklen Ecken passiert es nämlich immer.»
«Genau. Oder man könnte welche zusammen mit den Gebetbüchern verteilen!»
Sie lachten und hielten einander an den Armen fest. Die Frau ist echt in Ordnung, dachte Jane, man soll eben niemanden nach seinen Eltern beurteilen.
«Noch einen», sagte Colette. «Hast du noch Geld?»
Jane zog den letzten Fünfer aus ihrer Jackentasche, und Colette ging zur Bar, weil sie mindestens wie fünfundzwanzig aussah, obwohl sie nur ein paar Monate älter war als Jane.
Doch Jane hatte bemerkt, dass ein paar von den Typen an der Bar ihr hinterhersahen. Einer von ihnen war dieser Wichtigtuer Dean Wall, der an der High School in die Klasse über ihr ging. Als sie vorher schon einmal versucht hatten, sie anzumachen, hatte Colette sie abblitzen lassen und ihnen gesagt, sie sollten lieber nach Hause gehen und ihre Schularbeiten machen. Jetzt sagte einervon ihnen etwas zu Colette, als der Barkeeper ihr die Gläser gab. Sie stellte die Gläser wieder ab und hob verächtlich den Mittelfinger, bevor sie sich abwandte.
«Idioten», sagte Colette, als sie wieder an den Tisch kam. «Machen einen auf Frauenheld, dabei haben sie es höchstens mal mit einem stinkenden Schaf getrieben. Dieser Dean Wall sieht davon schon selber aus wie ein Schaf.»
Jane sah zu Dean Wall hinüber und stellte fest, dass seine Augen wirklich weit auseinanderlagen und seine Oberlippe genau wie bei einem Schaf über die Unterlippe hing. Sie prustete in ihr Glas. Sie wusste nicht mehr genau, wie viel sie schon getrunken hatten, das vierte Glas
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