Frucht der Sünde
herum.
«Wissen Sie …», Child lehnte sich über den Tisch. «Sie wären dafür perfekt geeignet, James. Ihre Stimme hat genau das richtige
Timbre
.»
Merrily unterdrückte ein Kichern. James Bull-Davies begegnete ihrem Blick und sah sofort weg. Wie lange würde er wohl brauchen, um sich mit einem weiblichen Pfarrer abzufinden? Antwort: Das würde nie geschehen; es war einfach nicht
richtig
.
«Ich habe vor», verkündete Child, «ein Stück für einen Chor zu schreiben, in dessen Zentrum
Old Cider
steht. Ich suche noch nach Sängern. Aus dem Ort. Ich will mit den Stimmen arbeiten, die Komposition soll aus diesen Stimmen
erwachsen
. Aus der Erde, der roten Erde von Ledwardine. Irgendwelche Vorschläge, Rod?»
«Wir hatten früher einen Männerchor. Ist dann aber aus mangelndem Interesse eingegangen. Ich denke aber, dass ein paar von den Leuten noch zu finden sind.»
Child strahlte. «Frau Pfarrer?»
«Ich könnte es im Kirchenchor bekannt geben», sagte Merrily. «Vielleicht gibt es ja ein paar Interessenten.»
«Sehr gut.» Child beugte sich über den Tisch und tätschelte Merrilys Hand etwas zu lange. «Und was meint das Komitee zu meinem Vorschlag, das Festival ‹Old Cider› zu nennen, Terry?»
«Terrence»
, sagte Cassidy scharf. «Allerdings ist ja klar, dass wir darüber heute Abend keine Entscheidung fällen können …»
«Wer sagt das?»
«Ich schlage vor, dass Sie Ihren Vorschlag zu Papier bringen und wir es dann bis zum nächsten Treffen überdenken.»
«Zum Teufel!», dröhnte Bull-Davies. «Es geht doch nur um den Namen. Ich schlage vor, dass wir darüber abstimmen, ob wir hier und jetzt darüber entscheiden. Nein, um das Verfahren abzukürzen, beantrage ich, dass wir das Ledwardine Festival ab jetzt Old Cider Festival nennen.»
«Ich unterstütze den Antrag», sagte Child schnell.
«Einen Moment noch …» Terrence Cassidys Gesicht hatte sich gerötet. «Das bedeutet doch, dass das gesamte Festival als Werbung für Ihr noch ungeschriebenes Chor-Werk fungiert.»
«Oder mein Chor-Werk», Child warf entnervt die Arme hoch, «fungiert als Unterstützung für das
Festival
.»
«Der Vorschlag liegt auf dem Tisch, meine Herren.» Bull-Davies rang sich ein verzerrtes Lächeln ab. «Und, ja … meine Dame. Jetzt ist es, soweit ich die Verfahrensregeln kenne, am Vorsitzenden, nach Einwänden zu fragen.»
Cassidy verschränkte die Arme vor der Brust. «Ich glaube, wir sollten warten, bis Richard Coffey da ist. Sein Stück wird uns die Aufmerksamkeit des gesamten Landes sichern, und er könnte …»
«Er wusste doch, dass wir um acht Uhr anfangen, oder?», polterte Bull-Davies. «Wir können nicht ewig warten. Schließlich haben manche Leute noch etwas anderes zu tun.»
«Also gut», sagte Cassidy erbost. «Wenn es das ist, was Sie wollen, dann sei’s drum.»
Er blickte auf der Suche nach eventuellen Einwänden in die Versammlung. Vergeblich.
‹Old Cider› wurde mit einer Gegenstimme angenommen. Councillor Powell, der einzige Lokalpolitiker in der Runde, tat, was Lokalpolitiker am besten können, und enthielt sich. In der Runde wurden feindselige Blicke gewechselt.
Oje, dachte Merrily,
so
eine Art Komitee war das also. Mit einem Mal fühlte sie sich vollkommen niedergeschlagen. Hatte Alf Hayden auch so angefangen? War pflichtbewusst zu lächerlichen kleinen Versammlungen gegangen, bei denen Sticheleien und Gehässigkeiten an der Tagesordnung waren? Hatte er sich bei irgendwelchen Abstimmungen gefragt, für wen er nach Gottes Meinung stimmen sollte? Hatte er sich irgendwann gefragt, ob sich Gott für so etwas überhaupt interessierte? War das Dorfleben für Jesus der Ursprung der Gesellschaft oder nur ein flacher Teich, über den er niemals gehen würde?
Reifen knirschten auf dem Rollsplitt vor dem Fenster.
«Das ist vermutlich Richard», sagte Cassidy.
Merrily hatte gehofft, dass Coffey nicht auftauchen würde. Sie brauchte Zeit, um über Wil Williams nachzudenken, der in Ledwardine von 1668 bis 1670 Gemeindepfarrer gewesen war. Sie musste mit ein paar Leuten sprechen. Nachdem James Bull-Davies offensichtlich gern schnelle Entscheidungen traf, konnte es sein, dass sie noch heute Abend etwas dazu sagen musste, ob die Kirche eine Bühne für die Auferstehung eines Pfarrers aus dem siebzehnten Jahrhundert abgeben sollte, der offenbar von seiner eigenen Gemeinde in den Tod getrieben worden war.
Ihre erste schwierige Entscheidung. Merrily saß direkt unter
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