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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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es dir sagen?«
    Sie hatte die Augen erhoben und sah ihn lächelnd und gespannt an. »Ja, sage mir dein Geheimnis, wenn die Zeit da ist. Oh, ich fühlte wohl, daß du irgendeine große Hoffnung mit dir herumtrugst. Aber ich wollte dich nicht fragen, ich wartete.«
    Er antwortete nicht direkt, da eine Erinnerung ihn mit Empörung erfüllte. »Dieser Lepailleur, weißt du, ist ein Taugenichts und ein Dummkopf, trotz seines klugen Gehabens. Gibt es eine dümmere Blasphemie, als sich einzubilden, daß die Erde ihre Fruchtbarkeit verloren habe, daß sie im Begriffe sei, Bankerott zu machen, sie, die ewige Mutter, die ewige Lebenspenderin! Sie ist eine Rabenmutter nur für die schlechten Söhne, die Faulen, die Eigensinnigen, die Beschränkten, die sie nicht zu lieben und nicht zu behandeln verstehen. Aber es komme ein verständiger Sohn, der sie mit einem Kultus umgibt, der sich ihr ganz widmet, der sie mit allen Mitteln neuer Wissenschaft und alter Erfahrung bebaut, und man wird sehen, wie sie erbebt, wie sie Kinder hervorbringt, sich mit unermeßlicher Ernte bedeckt. – Es heißt in dieser Gegend, daß die Besitzung Chantebled niemals etwas andres hervorgebracht habe und hervorbringen werde als Disteln. Nun denn! Der Mann wird kommen, der sie verwandeln wird, der aus ihr eine neue Erde voll Segen und Ueberfluß machen wird!«
    Er wendete sich und bezeichnete mit ausgestrecktem Arm der Reihe nach die Punkte, von denen er sprach.
    »Dort hinten liegen mehr als zweihundert Hektar Jungholz, die sich bis zu den Bauernhöfen von Mareuil und Lillebonne erstrecken. Sie sind von Lichtungen vorzüglichen Bodens unterbrochen, die durch breite Durchlässe miteinander verbunden sind; aus diesen könnte man mit Leichtigkeit ausgezeichneten Weidegrund machen, denn es gibt da Quellen in Ueberfluß. Diese Quellen treten auf dem Plateau da rechts in solcher Menge auf, daß sie es zu einem Sumpfland verwandelt haben, in welchem sich zahlreiche stagnierende Wässer befinden, die mit Schilf und Binsen bewachsen sind. Wenn nun ein unternehmender Kopf käme, ein Kultivator, ein Pionier, der dieses Terrain entwässerte, ihm seinen Ueberfluß an Feuchtigkeit durch leicht anzulegende Kanäle entzöge, so wäre mit einem Schlage ein gewaltiges Gebiet der Kultur gewonnen, wo die Frucht mit außerordentlicher Ueppigkeit aufschießen müßte. Das ist aber noch nicht alles. Da vor uns haben wir noch die sanften Hänge von Janville bis VieuxBourg, abermals mehr als zweihundert Hektar, die infolge der Trockenheit und Steinigkeit des Bodens brach liegen. Man hätte nun einfach nichts andres zu tun, als die Quellen da oben, die ohne Abfluß Sümpfe bilden, hierher zu leiten, sie über diese unfruchtbaren Hänge rieseln zu lassen, die dann den reichsten Ertrag geben müßten. Ich habe mir das alles angesehen, habe alles studiert. Ich sehe da vor mir, gering gesagt, fünfhundert Hektar Land, aus denen ein unternehmender Bebauer den fruchtbarsten Besitz machen könnte. Es ist ein ganzes Königreich an Erntefeldern, eine ganze neue Welt, die durch Arbeit, mit Hilfe der wohltätigen Wasser und unsrer Allmutter Sonne aus dem Nichts zu schaffen wäre.«
    Marianne betrachtete ihn bewundernd, während er vor den Bildern erbebte, die seine Phantasie ihm vorzauberte. Aber zugleich erschrak sie vor der Größe dieser fernen Hoffnung, und sie konnte den Einwurf des Zweifels und der Klugheit nicht zurückhalten: »Nein, nein, es ist zu viel, du willst das Unmögliche. Wie kannst du glauben, daß wir jemals das alles besitzen werden, daß dieses ganze Land einmal unsern Reichtum bilden würde! Und woher das Kapital, woher die Arbeitskraft für eine solche Eroberung nehmen?«
    Er blieb einen Augenblick stumm, zur Wirklichkeit zurückgeschleudert, erschüttert von dem Stoße. Dann lachte er in seiner leisen und klugen Weise.
    »Du hast recht, ich träume, ich rede Unsinn. Mein Ehrgeiz reicht vorläufig nicht so weit, König von Chantebled werden zu wollen. Aber was ich dir gesagt habe, ist darum nicht minder wahr, und was schadet es, sich mit großen Plänen zu tragen, um sich Mut und Zuversicht einzuflößen? – Vorläufig bin ich entschlossen, einen Versuch zu machen – oh, nur einen ganz bescheidenen Versuch mit einigen Hektaren, welche mir Séguin samt dem Pavillon, den wir bewohnen, wohl zu billigem Preise überlassen wird. Ich weiß, daß der Besitz, der durch die Verpachtung der Jagd immobilisiert ist, ihm zur Last ist. Und später werden wir ja sehen, ob die

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