Fruchtbarkeit - 1
Erde uns lieben und uns entgegenkommen will, wie wir ihr entgegenkommen. – Nur zu, geliebtes Weib, gib diesem kleinen Vielfraß zu trinken, und ihr, kleines Volk, eßt, trinkt, gedeiht, die Erde gehört denen, die gesund und zahlreich sind!«
Blaise und Denis beantworteten dies damit, daß sie noch Butterbrote nahmen, während Rose den Becher mit Wein gemischten Wassers austrank, den Ambroise ihr gereicht hatte. Aber vor allem war Marianne das Symbol blühender Fruchtbarkeit, die Quelle der Kraft und des Gedeihens, mit ihrer nährenden Brust, an der Gervais nach Herzenslust trank. Er sog so stark, daß er ein glucksendes Geräusch hervorbrachte, wie das einer entspringenden Quelle – der feinen Milchquelle, die anschwellen und zum Strome werden sollte. Rings um sich fühlte die Mutter diese Quelle überall emporsprudeln und sich ergießen. Nicht sie allein nährte, die Frühlingssäfte schwellten die Ackerfurchen, machten die Bäume erbeben, drängten die Gräser empor, in deren Mitte sie saß. Unter sich, in dieser ewig zeugenden Erde, fühlte sie diese Säfteflut, fühlte sie auf sich übergehen, sie erfüllen, ihr die Milch wiedergeben, die ihrer Brust entfloß. Es war die Milchflut, die über die ganze Welt sich ergoß, die ewige Lebensflut, die ewig neue Saat emporsprießen läßt. Und unter diesem hellen Frühlingstage war die ganze leuchtende, duftende, singende Landschaft darin gebadet, triumphierend über dieses schöne Bild der Mutter, die, die Brust der Sonne, der weiten Landschaft enthüllt, ihr Kind trinken ließ.
2
Am darauffolgenden Tage, nach einem Vormittag angestrengter Arbeit in seinem Bureau, entschloß sich Mathieu, der alle seine Rückstände erledigt hatte, zu Madame Bourdieu zu gehen, um zu sehen, wie es Norine ging. Er wußte, daß sie seit vierzehn Tagen entbunden war, und er wollte sich selbst überzeugen, wie sich Mutter und Kind befanden, um die Mission, mit der ihn Beauchêne betraut hatte, ganz zu Ende zu führen. Da dieser übrigens der Sache mit keinem Worte mehr erwähnt hatte, begnügte er sich damit, ihm sagen zu lassen, daß er nachmittags abwesend sein werde, ohne einen Grund für seine Abwesenheit anzugeben. Aber er wußte nur zu gut, welch große Erleichterung es dem Chef sein werde, dieses Abenteuer ganz beendigt, das Kind verschwunden, die Mutter im Arm eines andern Geliebten zu wissen.
Bei der Hebamme angelangt, mußte er sich ins Zimmer Norines hinaufbegeben, da sie noch zu Bette war. Sie war beinahe ganz genesen und sollte das Haus am nächsten Donnerstag verlassen. Zu seinem Erstaunen sah er am Fußende des Bettes das Kind in einer Wiege schlafen, während er glaubte, daß sie sich seiner bereits entledigt habe.
»Endlich kommen Sie!« rief die Wöchnerin freudig aus. »Ich wollte Ihnen schon schreiben, und Ihnen den Brief durch meine kleine Schwester senden, um Sie wenigstens noch einmal zu sehen, ehe ich von hier fortgehe.«
Die kleine Cécile, ebenso wie die Jüngere, Irma, waren anwesend. Ihre Mutter, die ihr Haus nicht verlassen konnte, hatte sie geschickt, um sich nach dem Ergehen ihrer älteren Schwester zu erkundigen und ihr drei große Orangen zu bringen, die auf dem Nachtkästchen leuchteten. Die beiden Kleinen waren zu Fuß gekommen, glücklich, daß sie den langen Weg durch die Straßen machen und sich die Läden ansehen konnten. Das schöne Haus, in welchem ihre Schwester lag, versetzte sie in Entzücken; abgesehen davon, daß das Kind, diese lebende Puppe, die da unter den Musselinevorhängen schlummerte, ihr lebhaftestes Interesse erweckte.
»Also, es ist alles gut abgelaufen, alles vorüber?« fragte Mathieu.
»Alles vorüber. Seit fünf Tagen bin ich zeitweilig außer Bett, und bald gehe ich fort. Nicht eben sehr gern, wissen Sie, denn ich habe es mir hier hübsch gut gehen lassen, und jetzt ist es vorbei mit der schönen Zeit. Nicht wahr, Victoire, so gute Betten und so gutes Essen werden wir nicht auf der Straße finden?«
Mathieu erkannte Victoire, das kleine Dienstmädchen, die, neben dem Bette sitzend, Wäsche ausbesserte. Acht Tage vor Norine entbunden, war sie bereits ganz hergestellt, und sollte das Haus am nächsten Tage verlassen. Einstweilen arbeitete sie ein wenig für Rosine, das reiche Fräulein mit der unschuldigen Miene, die der Vater mißbraucht hatte, und die, erst gestern entbunden, noch das benachbarte Zimmer einnahm, das ihr allein gehörte. In dem weniger schönen, aber durch die Sonne fröhlich erhellten Zimmer
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