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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Stimme zitterte.
    »Mein Gott, mein Gott, jetzt quälen Sie mich schon wieder!« Und sie bedeckte die Augen mit beiden Händen, wie um nichts mehr zu sehen.
    »Das ist meine Instruktion, mein Herr,« erklärte die Hebamme Mathieu mit leiser Stimme, indem sie die junge Mutter eine Weile sich selbst überließ. »Wir haben den Auftrag, alles anzuwenden, damit die Mütter, besonders solche, die in der Lage sind, wie diese da, selber ihre Kinder stillen. Sie begreifen, daß dadurch oft nicht nur das Kind, sondern auch die Mutter gerettet wird, der düsteren Zukunft entgeht, die ihr droht. Daher, mag sie sich auch des Kindes entledigen wollen, wir lassen es so lange als möglich bei ihr, wir ziehen es mit dem Saugfläschchen auf, um abzuwarten, ob sich das Muttergefühl nicht doch in ihr rege, ob der Anblick des armen kleinen Wesens sie nicht rühre. In neun Fällen unter zehn, wenn wir sie dazu bringen können, ihm die Brust zu reichen, ist sie besiegt, behält sie es. Daher finden Sie dieses Kind noch hier.«
    Mathieu näherte sich bewegt Norine, die noch immer von ihren Haaren umhüllt, die Hände vor dem Gesichte dalag.
    »Nun, mein Kind, Sie haben ja kein schlechtes Herz. Sie sind ein gutes Mädchen, warum wollen Sie ihn nicht nähren, warum ihn nicht behalten, den armen Kleinen?«
    Sie enthüllte ihr glühendes, tränenloses Gesicht.
    »Ist der Vater mich auch nur besuchen gekommen? Nein, ich kann das Kind eines Mannes nicht lieben, der so niederträchtig gegen mich handelt. Es nur da in der Wiege zu wissen, bringt mich in Wut!«
    »Aber das arme unschuldige Geschöpf kann doch für das alles nichts. Sie verdammen es. Sie bestrafen sich selbst, denn Sie sind nun allein, und es wäre Ihnen vielleicht ein großer Trost.«
    »Nein, ich sage nein! Ich will nicht, ich fühle nicht die Kraft in mir, mich in meinem Alter gleich so mit einem Kinde zu belasten, ohne daß der Mann, dem ich es verdanke, mir beisteht. Man weiß doch, was man zu leisten vermag, nicht wahr? Nun, so sehr ich mich auch prüfe, ich bin nicht mutig, und auch nicht einfältig genug für das. Nein, nein und nein!«
    Er schwieg, da er wohl sah, daß nichts gegen den Freiheitstrieb ankommen könne, der dem allen zugrunde lag. Mit einer Gebärde gab er seiner Trauer Ausdruck, ohne Entrüstung oder Zorn gegen sie zu fühlen; sie war nun einmal so geschaffen, ein schönes Mädchen, das nicht vermochte, den leichten Lockungen der Stadt zu widerstehen.
    »Nun, gut also, niemand zwingt Sie, es zu nähren,« sagte Madame Bourdieu, einen letzten Versuch machend, »aber es ist nicht schön, wenn Sie es verlassen. Warum wollen Sie es nicht dieser Frau anvertrauen, die es in Kost geben wird, wodurch Sie die Möglichkeit haben, es eines Tages zurückzunehmen, wenn Sie Arbeit gefunden haben? Das würde nicht teuer kommen, und der Vater würde es zweifellos bezahlen.«
    Norine geriet in Zorn.
    »Er, zahlen! Da kennen Sie ihn schlecht! Nicht, daß es ihm etwas ausmachen müßte, denn er ist millionenreich. Aber dieser Mensch hat nur einen Wunsch, und der ist, daß das Kind verschwinde, daß man es in eine Grube werfe; wenn er es gewagt hätte, hätte er mir gesagt, ich soll es umbringen. Fragen Sie diesen Herrn, ob ich lüge. Sie sehen wohl, daß er nicht nein sagt. Und soll ich vielleicht zahlen? Ich, die ich keinen Sou habe, die morgen vielleicht kein Obdach haben wird, keine Arbeit und kein Brot? Nein, und tausendmal nein, ich kann nicht!«
    Von einer wahren Krisis der Abspannung und der Verzweiflung erfaßt, brach sie in Schluchzen aus.
    »Ich bitte Sie, lassen Sie mich in Ruhe! Vierzehn Tage quälen Sie mich schon mit dem Kinde und lassen es da bei mir, in dem Glauben, daß ich es schließlich doch stillen werde. Sie bringen es mir. Sie legen es mir auf die Knie, damit ich es ansehe und küsse. Sie wollen immer, daß ich mich mit ihm beschäftige, Sie lassen es schreien, in der Hoffnung, daß ich Mitleid haben und ihm die Brust reichen werde. Mein Gott, begreifen sie denn nicht, daß, wenn ich den Kopf wegwende, wenn ich es nicht küssen, nicht einmal sehen will, daß es nur deshalb ist, weil ich Furcht habe, daß ich mich verführen lasse, es zu lieben, was ein großes Unglück für mich und für es selbst wäre. Es wird allein glücklicher sein. Hören Sie? Ich bitte Sie, nehmen sie es gleich fort, und foltern sie mich nicht länger!«
    Sie fiel zurück und schluchzte heftig, das Gesicht in die Kissen vergraben, von ihrem wirren Haar bedeckt, die Schultern halb

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