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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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mit den drei Betten hatten Norine und Victoire keine Gefährtin mehr bekommen, seitdem die Engländerin zu Schiff in ihre Heimat zurückgekehrt war.
    Das kleine Dienstmädchen unterbrach ihre Arbeit und erhob den Kopf: »Freilich wird es bald kein IndenTaghineinSchlafen und keine warme Milch ans Bett gebracht mehr geben. Trotzdem ist es nicht gerade sehr lustig, immer nur die hohe graue Mauer da gegenüber vor Augen zu haben; und man kann auch nicht sein Leben mit Nichtstun verbringen.«
    Norine nickte lachend mit dem Kopfe, als hübsches Mädchen, die wohl bei sich andrer Ansicht sein mochte. Dann ging sie daran, ihre beiden kleinen Schwestern, die sie genierten, zu verabschieden.
    »Also, Herzchen, ihr sagt, daß der Vater noch immer so zornig über mich ist, daß ich nicht nach Hause kommen darf?«
    »Oh,« erklärte Cécile, »er ist nicht so sehr zornig, aber er sagt, daß ihn das entehren würde, daß das ganze Viertel mit Fingern auf ihn zeigen würde. Und dann macht ihm auch Euphrasie den Kopf heiß, besonders seitdem sie heiraten soll.«
    »Wie, Euphrasie wird heiraten? Davon habt ihr mir ja gar nichts gesagt!«
    Sie war sehr unangenehm berührt, besonders, als ihr die Kinder, beide gleichzeitig sprechend, erzählten, daß der künftige Mann Euphrasies Auguste Bénard, der junge Maurer mit dem lustigen Gesichte sei, der über ihnen wohnte. Er hatte sich in die Kleine verliebt, obgleich sie gar nicht hübsch und mit ihren achtzehn Jahren noch so mager war; aber er hielt sie wohl trotzdem für kräftig und eine gute Arbeiterin.
    »Mögen sie beide miteinander selig werden. Ehe sechs Monate um sind, wird sie ihn schlagen, das boshafte Ding. Ihr richtet der Mutter aus, daß ich mir aus euch allen nichts mache, und daß ich niemand brauche. Ich bin noch nicht verloren, ich werde mir Arbeit suchen, ich werde schon jemand finden, der mir beisteht. Habt ihr verstanden, kommt nicht wieder, ich will nichts mehr von euch wissen.«
    Irma, die mit ihren acht Jahren empfindlich war, fing zu weinen an. »Warum bist du so bös mit uns? Wir haben dir doch gar nichts getan! Und ich wollte dich fragen, ob das Kleine da wirklich dir gehört, und ob ich ihm einen Kuß geben darf, ehe wir fortgehen.«
    Norine bereute sofort ihre Heftigkeit. Sie nannte sie wieder ihre Herzchen, küßte sie zärtlich und sagte ihnen, daß sie nun fortgehen müßten, aber daß sie sie wieder besuchen dürften, wenn sie wollten.
    »Sagt der Mutter, daß ich ihr für die Orangen danke. Und was den Kleinen betrifft, so mögt ihr ihn euch wohl ansehen, aber rührt mir ihn nicht an, denn wenn er aufwachte, würde er uns ein Konzert machen, daß man sein eignes Wort nicht mehr hörte.«
    Und als die Kleinen, die schon verstanden, um was es ich hier handelte, sich ganz aufgeregt vor Neugierde über die Wiege beugten, sah auch Mathieu hin. Er sah ein gesundes, kräftiges Kind mit breitem Gesichte und derben Zügen, das ihm eine auffallende Aehnlichkeit mit Beauchêne zu haben schien.
    In diesem Augenblicke trat Madame Bourdieu ein, gefolgt von einer Frau, in welcher er Sophie Couteau erkannte, die Zuführerin, die er sich erinnerte bei den Séguin gesehen zu haben, als sie dahin gekommen war, um eine Amme zu empfehlen. Auch sie erkannte zweifellos den Herrn, dessen schwangere Frau, die so stolz darauf war, selbst zu stillen, so wenig geneigt schien, das Geschäft zu fördern. Aber sie tat, als sähe sie ihn zum ersten Male, denn sie war berufsmäßig diskret und übrigens keineswegs neugierig, seitdem so viele Dinge durch ihre Hände gingen. Die beiden kleinen Mädchen entfernten sich sogleich.
    »Nun, mein Kind,« fragte Madame Bourdieu Norine, »haben Sie darüber nachgedacht, was wollen Sie mit dem armen Würmchen machen, das hier so lieb schläft? Hier ist die Frau, von der ich Ihnen gesprochen habe. Sie kommt alle vierzehn Tage aus der Normandie hierher, um Ammen hier unterzubringen, und nimmt jedesmal Kinder mit sich, um sie dort in Pflege zu geben. Da Sie unbedingt nicht selbst stillen wollen, könnten Sie vielleicht doch Ihr Kind nicht verlassen und es ihr übergeben, bis Sie in der Lage wären, es wieder zu nehmen. Oder wenn Sie wirklich entschlossen sind, es ganz zu verlassen, so wird sie uns den Dienst erweisen, es sogleich ins Findelhaus zu tragen.«
    Eine große Verwirrung hatte sich Norines bemächtigt; sie ließ den Kopf mit den gelösten, prächtigen blonden Flechten in die Kissen zurücksinken, ihr Gesicht hatte sich verdüstert, ihre

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