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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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entblößt.
    Stumm und unbeweglich stand die Couteau am Fußende des Bettes und wartete. In ihrem billigen, dunkeln Wollkleide, ihrer großen, schwarzen, mit gelben Bändern geputzten Haube behielt sie das Aussehen einer Bäuerin im Sonntagskleid, während ihr langes, mageres Gesicht, diese Maske der Schlauheit und Habsucht, versuchte, den Ausdruck gutmütigen Mitleids anzunehmen. Obgleich die Sache ihr aussichtslos schien, sagte sie für alle Fälle ihr gewohntes Sprüchlein her.
    »Wissen Sie, Madame, Ihr Kleiner wäre dort wie zu Hause, in Rougemont. Es gibt im ganzen Departement keine bessere Luft, aus Bayeux sind sogar Leute gekommen, um sich dort zu erholen. Und wenn sie wüßten, wie man sie pflegt, wie man sie verhätschelt, die Kleinen! Die ganze Gegend hat keine andre Beschäftigung als kleine Pariser in Pflege zu nehmen, sie zu lieben und zu hätscheln. Und ich würde das Ihrige sehr billig nehmen, ich habe eine Freundin, die schon drei Kinder in Pflege hat, und da sie sie natürlich bei der Flasche aufpäppelt, so würde es ihr nichts machen, noch ein viertes dazu zu bekommen. Sie würde das Ihrige halb umsonst nehmen. Nun, bewegt Sie das nicht, lockt Sie das nicht?«
    Aber als sie sah, daß nur die Tränen Norines ihr antworteten, machte sie eine Gebärde, wie eine beschäftigte Frau, die nicht in der Lage ist, ihre Zeit umsonst zu verlieren. Bei jeder ihrer zweiwöchentlichen Reisen nach Paris beeilte sie sich, nachdem sie ihre Ladung Ammen bei den verschiedenen Bureaus abgeliefert hatte, in wenigen Stunden einen Rundgang bei den Hebammen zu machen, wo sie die mitzunehmenden Säuglinge einsammelte, um dann noch desselben Abends nach ihrer Heimat zurückzukehren, in Begleitung von zwei oder drei Frauen, die ihr beim Transport der Kleinen halfen, wie sie sagte. Diesmal war sie um so mehr in Eile, als Madame Bourdieu, die sie so ziemlich zu allen Besorgungen verwendete, sie gebeten hatte, das Kind sogleich ins Findelhaus zu tragen, wenn sie es nicht nach Rougemont mitnähme.
    »Also,« sagte sie, sich an die Hebamme wendend, »ich werde demnach nur das Kind der andern Dame mitzunehmen haben. Es wird am besten sein, wenn ich gleich zu ihr gehe, damit ich die Sache abmache. Dann komme ich hierher zurück, um dieses da zu nehmen und es dorthin zu bringen, und zwar im Galopp, denn mein Zug geht um sechs Uhr.«
    Als sie mit der Hebamme das Zimmer verlassen hatte, um sich in das Nebenzimmer zu Rosine zu begeben, die gestern entbunden worden war, wurde das Stillschweigen nur unterbrochen durch das Schluchzen Norines, die noch immer heftig weinte. Mathieu hatte sich neben die Wiege gesetzt und betrachtete mit tiefem Mitleid das arme kleine Wesen, das fortfuhr, friedlich zu schlafen. Und Victoire, das Dienstmädchen, die während der ganzen Szene stumm geblieben war, anscheinend ganz in ihre Näherei vertieft, begann nun langsam, ununterbrochen zu sprechen, ohne die Augen von der Nadel zu erheben.
    »Sie haben sehr recht, daß Sie ihr Ihr Kind nicht anvertrauen, diesem schlechten Weib! Was man damit auch macht, dort im Spital, so wird es ihm besser gehen, als in ihren Händen. Wenigstens wird es die Möglichkeit haben, am Leben zu bleiben. Darum habe ich auch darauf bestanden, wie Sie, daß man meines gleich dorthin bringt. Wissen Sie, ich bin aus der Gegend, aus Berville, sechs Kilometer von Rougemont, und ich kenne sie, diese Couteau, man spricht bei uns genug von ihr. Ein sauberes Weibsbild! Erst hat sie sich in einem Graben schwängern lassen, bloß um Amme zu werden; dann, wie sie gesehen hat, daß sie nicht genug stehlen kann, wenn sie ihre Milch verkauft, hat sie angefangen, die Milch andrer zu verkaufen. Ein nettes Geschäft, zu dem man kein Herz und keine Seele haben darf! Hierauf hat sie das Glück gehabt, einen großen, rohen Kerl zum Mann zu bekommen, den sie jetzt an der Nase herumführt, und der ihr hilft. Er führt mit ihr Ammen herbei, er nimmt die Kinder mit zurück, wenn die Arbeit sich häuft. Diese zwei haben mehr Morde auf dem Gewissen, als alle Mörder, die man guillotiniert. Der Bürgermeister von Berville, ein braver Mann, ein Städter, der sich aufs Land zurückgezogen hat, hat gesagt, daß Rougemont die Schande des Departements ist. Ich weiß wohl, daß es zwischen Rougemont und Berville immer Eifersucht gegeben hat; aber das hindert nicht, daß die aus Rougemont wirklich ein bißchen gar zu ungeniert ihr Geschäft mit den Pariser Säuglingen betreiben. Alle Einwohner beteiligen sich jetzt

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