Fruchtbarkeit - 1
seinem etwas blassen Gesichtchen. Gewiß, es gibt stärkere Kinder, aber es gibt auch schwächere.«
Sie sprach langsam und suchte nach Worten, um die Mutter zu beunruhigen, ohne sie gleichwohl in Verzweiflung zu stürzen. Es war das ihre gewöhnliche Taktik, um die Frauen, mit denen sie es zu tun hatte, zu betrüben, und dann der mütterlichen Angst so viel Geld zu erpressen, wie sie konnte. Dieses Mal sah sie offenbar, daß sie so weit gehen konnte, eine leichte Krankheit des Kindes zu erfinden.
»Freilich muß ich Ihnen sagen, denn, wissen Sie, ich kann nicht lügen, und schließlich ist es ja auch meine Pflicht – nun ja, er war ein bißchen krank, der liebe Schatz, und ist noch immer nicht ganz wohl.«
Ganz blaß geworden, legte Madame Menoux ihre kleinen, zarten Hände aneinander.
»Mein Gott, er wird sterben!«
»Aber nein, aber nein, ich sage Ihnen ja, daß es ihm besser geht. Ah, an Pflege fehlt es ihm nicht, man muß nur sehen, wie die Loiseau ihn hätschelt! Wenn die Kinder hübsch sind, so gewinnen sie alle Herzen mit Leichtigkeit! Und das ganze Haus richtet sich nach ihm, man scheut keine Auslagen. Der Arzt ist zweimal gekommen, man hat sogar Arzneien machen lassen müssen. Aber das kostet Geld.«
Das Wort fiel wie ein Keulenschlag. Dann fuhr sie fort, ohne der erschrockenen, zitternden Mutter Zeit zu lassen, sich zu erholen: »Wollen wir abrechnen, Madame Menoux?«
Die Krämerin, die die Absicht gehabt hatte, vor ihrer Rückkehr noch eine Zahlung zu leisten, war ganz glücklich, daß sie Geld bei sich hatte. Man suchte ein Stück Papier, um die Rechnung darauf zu machen. Vorerst also das Kostgeld für einen Monat, dreißig Franken; dann die zwei Besuche des Arztes, sechs Franken; und mit den Arzneien machte es gerade zehn Franken.
»Ja, ich wollte Ihnen noch sagen, er hat so viel Wäsche schmutzig gemacht, wie er krank war, daß Sie wohl noch drei Franken für Seife hinzufügen könnten. Das wäre nur billig, abgesehen davon, daß noch andre kleine Ausgaben notwendig waren. Eier, Zucker, und andres, so daß ich an Ihrer Stelle, um eine gute Mutter zu sein, fünf Franken sagen würde. Fünfundvierzig Franken im ganzen, ist es so recht?«
Trotz ihrer geängstigten Seele fühlte die Krämerin, daß man sie betrüge, daß man auf ihre Qual spekuliere. Sie war mit erstaunter und empörter Gebärde aufgefahren, als sie hörte, daß sie so viel Geld hergeben sollte, dieses Geld, das zu gewinnen sie sich so schwer plagen mußte. Wie viel Nadeln und Zwirn mußte sie verkaufen, bis sie eine solche Summe verdiente! Und der ratlose Widerstreit in ihr zwischen ihrer ängstlichen Sparsamkeit und ihrer mütterlichen Furcht hätte das härteste Herz gerührt.
»Aber das macht ja gleich einen halben Monat mehr!«
Sogleich wurde die Couteau kalt.
»Was wollen Sie, ich kann ja nichts dafür. Man kann es doch nicht sterben lassen, Ihr Kind. Das werden Sie doch hoffentlich nicht haben wollen. Also muß man wohl die nötigen Ausgaben machen. Und wenn Sie vielleicht kein Vertrauen mehr zu mir haben, sagen Sie es nur: Sie können Ihr Geld ja direkt hinschicken und sich überzeugen; für mich wäre es eine große Erleichterung, denn mit all diesen Sachen verliere ich nur meine Zeit und meine Mühe, weil ich immer die Dummheit begehe, zu gut zu sein.«
Madame Menoux gab eingeschüchtert und besiegt nach, als eine neue Schwierigkeit sich herausstellte. Sie hatte nur Gold bei sich, zwei Stücke zu zwanzig Franken und eines zu zehn. Die drei Goldmünzen glänzten auf dem Tische. Die Couteau betrachtete sie mit gierigem, unverwandtem Blicke.
»Ich kann Ihnen die fünf Franken nicht zurückgeben, ich habe keinen Sou Silber bei mir. Hast du vielleicht fünf Franken, die du mir leihen könntest, Céleste?«
Sie hatte sich bewogen gefühlt, die Frage zu stellen, aber in einem Ton, und mit einem Blicke, daß die andre begriff.
»Ich habe keinen Sou bei mir.«
Ein langes Schweigen folgte. Dann fügte sich Madame Menoux mit schwerem Herzen und mit verzweifelter Resignation ins Unvermeidliche. »Behalten Sie die fünf Franken für sich, Madame Couteau, da Sie sich so viel Mühe geben. Und wollte Gott, daß mir all dieses Geld wenigstens Glück bringt, und daß mein Pierre ein großer und schöner Mann wird wie sein Vater.«
»Ah, was das betrifft, dafür stehe ich Ihnen gut!« rief die Couteau begeistert. »Diese kleinen Krankheiten schaden nichts, im Gegenteil! Ich bekomme ja genug kleine Kinder unter die Augen, und
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