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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Andrée stehengeblieben, die, in Furcht versetzt durch diesen großen Schatten, zu schreien anfing. Vielleicht sah er sie nicht, in der Blutwelle, womit die Wut seine Augen verdunkelte, ebensowenig wie er Gaston und Lucie sah, die infolge des Lärms herbeigelaufen waren und nun von Furcht und Neugierde an der Tür festgebannt wurden; und da niemand daran dachte, sie fortzuschicken, blieben sie da und sahen und hörten alles mit an.
    »Der Wagen wartet unten,« sagte Séguin in einem Tone, den er sich bemühte, ruhig erscheinen zu lassen. »Beeile dich, gehen wir.«
    Valentine sah ihn verständnislos an.
    »Sei doch vernünftig. Wie kann ich denn das Kind verlassen, da ich niemand habe, dem ich es anvertrauen kann?«
    »Der Wagen wartet unten,« wiederholte er, vor unterdrückter Wut zitternd, »gehen wir.«
    Und da seine Frau sich diesmal darauf beschränkte, die Achseln zu zucken, wurde er toll, brach einer jener Anfälle von plötzlicher Raserei bei ihm aus, in denen er sich in den niedrigsten Beschimpfungen erging, auch selbst wenn Leute da waren, und wobei er dann die vergiftete Wunde bloßlegte, an der er litt, jene sinnlose Eifersucht, die aus der ehelichen Unterschlagung entstanden war, der ersten Ursache alles seines Unglücks. Dieses weinende Kind, er hätte es zermalmen mögen, dieses arme, gebrechliche Geschöpf, das an allem schuld war, das nun auch heute seine geplante Spazierfahrt zu vereiteln drohte, deren Verwirklichung ihm nun von alles überragendem Interesse schien. Und um so besser, wenn sein Freund und noch ein andrer zugegen waren und alles mitanhörten.
    »Ah, du willst also nicht kommen? Was kümmert mich denn deine Tochter? Ist sie denn von mir? Du kannst dir wohl denken, daß, wenn ich mir sie gefallen lasse, dies nur um des Friedens willen geschieht. Aber was ich weiß, das weiß ich, nicht wahr? Und du weißt es auch, da niemand außer uns es wissen kann. Ja, darüber komme ich nicht hinweg, ich erinnere mich an alle Einzelheiten, und gelange immer wieder zu der Überzeugung, daß sie nicht von mir ist. Du bist eine Dirne, und das Kind ist ein Bastard; und ich wäre wirklich zu albern, wenn ich mir um eines Kindes willen Zwang auferlegen würde, das was weiß ich in welchem Hotel garni gezeugt wurde. Ihr beiden werdet nicht eher zufrieden sein, als bis ihr mich ganz aus dem Hause gejagt habt! Du willst nicht kommen, wie? Guten Morgen, ich fahre also allein!«
    Und Séguin stürmte hinaus, ohne ein Wort an Santerre, der stumm geblieben war, ohne selbst Mathieus zu gedenken, der noch auf Antwort wartete. Dieser letztere hatte, bestürzt durch alles das, was man ihn wider Willen anhören ließ, nicht gewagt, sich zurückzuziehen, aus Furcht, daß das so aussehen könnte, als wollte er ein Urteil über die Szene abgeben. Er wendete den Kopf ab, betrachtete die kleine Andrée, die noch immer weinte, sah auf die beiden andern, Gaston und Lucie, die stumm vor Entsetzen sich hinter dem Fauteuil zusammendrängten, auf welchem ihre kleine Schwester wimmerte.
    Valentine war in einen Sessel gesunken, an allen Gliedern zitternd, von Schluchzen erstickt.
    »Ah, wie er mich mißhandelt, der Elende! Und ich wäre beinahe gestorben; ich habe so viel gelitten, ich leide noch so viel durch dieses unglückliche Kind, das von ihm ist, ich schwöre es vor Gott! Nein, nein, es ist für immer vorbei, nie mehr soll er mich berühren, auch nicht mit einer Fingerspitze! Lieber will ich mich töten, ja, töten, als mich wieder der Gefahr einer solchen Herabwürdigung aussetzen!«
    Es war der unter Tränen hervorgestammelte Aufschrei einer von ihrem Gatten brutal mißhandelten Frau, die unter den Qualen einer verwünschten Mutterschaft verzweifelt, und entschlossen ist, fortan die Freude zu nehmen, wo sie sie findet, da ihr häusliches Leben für immer zerstört ist.
    Santerre hatte sich bisher seitwärts gehalten, als ob er wartete. Er näherte sich ihr jetzt langsam, nahm ihre Hand mit einer Gebärde zärtlichen Mitgefühls und sagte leise!
    »Beruhigen Sie sich, liebe Freundin, beruhigen Sie sich doch! Sie wissen wohl, daß Sie nicht allein sind, daß nicht alles Sie verläßt. Es gibt Dinge, die Sie nicht berühren können. Beruhigen Sie sich, weinen Sie nicht mehr, ich bitte Sie inständig. Sie zerreißen mir das Herz!«
    Er zeigte sich um so sanfter und liebevoller, je roher der Gatte gewesen war, denn er wußte, welch köstlicher Balsam für das Herz einer mißhandelten Frau die Zärtlichkeit ist. Seine

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