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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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einen Augenblick zu entschuldigen, sie werde sogleich wieder da sein, sie wolle nur nach ihrer kleinen Andrée sehen und der Amme noch die letzten Anordnungen geben, worauf ihr Gatte ihr zurief:
    »Beeile dich doch! Du bist unausstehlich, daß du nie fertig wirst!«
    In diesem Augenblicke ließ Mathieu sich anmelden, und Séguin empfing ihn gleichwohl, um ihm sein Bedauern auszudrücken, daß er heute nicht in der Lage sei, eine eingehende Unterredung mit ihm zu pflegen. Er nahm jedoch, ehe er eine nächste Zusammenkunft bestimmte, Kenntnis von einer neuen Bedingung, die Mathieu in den Kaufsvertrag aufgenommen haben wollte, nämlich die, daß ihm das ausschließliche Recht gewahrt bleibe, später unter gewissen Bedingungen und zu bestimmten Terminen stückweise den ganzen Besitz zu erwerben. Er versprach ihm, diesen Vorschlag in sorgfältige Erwägung zu ziehen, als ein plötzlich ausbrechender Tumult ihn unterbrach. Schreie tönten herüber, wüstes Poltern, das Geräusch heftig zuschlagender Türen. »Was ist denn das?« murmelte er, sich gegen die erbebenden Wände kehrend.
    Die Tür wurde aufgestoßen, und herein eilte Valentine, außer sich, ganz rot vor Furcht und Zorn, in den Armen ihre kleine Andrée, die laut schrie und sich sträubte.
    «Ja, ja, mein Herzchen, weine nicht, sie tut dir nichts mehr. Da, da, sei still, es geschieht dir nichts!«
    Sie legte das Kind in einen großen Fauteuil, wo es sogleich still wurde. Es war ein entzückendes Kind, aber so schwächlich bei seinen nun bald vier Monaten, daß sein blasses Gesichtchen fast nur aus den großen, schönen Augen bestand.
    »Na, was gibt es denn?« fragte Séguin erstaunt.
    »Es gibt, mein Lieber, daß ich Marie betrunken wie ein Lastträger quer über der Wiege liegend gefunden habe, und zwar so unglücklich, daß sie dem Kind die Luft benahm. Einige Minuten später, und alles wäre vorüber gewesen. Betrunken um zehn Uhr morgens, begreift man das? Ich habe wohl bemerkt, daß sie trank, und habe daher alle geistigen Getränke verschlossen, in der Hoffnung, sie doch zu behalten, denn ihre Milch ist vortrefflich. Wissen Sie, was sie getrunken hat? Den Spiritus zum Kochen; die leere Flasche lag neben ihr.«
    »Was sagte sie denn?«
    »Sie hat mich ganz einfach schlagen wollen. Als ich sie aufrüttelte, warf sie sich tolltrunken aus mich und beschimpfte mich. Ich hatte gerade noch Zeit, mich mit dem Kinde zu retten, worauf sie sich in dem Zimmer verbarrikadierte, wo sie nun alle Möbel demoliert. Horch einmal!«
    In der Tat drang durch die Mauern der entfernte Lärm gewaltsamer Zerstörung herüber. Alle sahen einander an, und es entstand eine lange Stille der Furcht und der Verlegenheit.
    »Also?« fragte Séguin endlich schneidend.
    »Also, mein Lieber, was willst du, daß ich dir sage? Dieses Weib ist ein wildes Tier, und ich kann ihr nun unmöglich mehr Andrée überlassen, da sie sie uns umbringen würde. Ich habe das Kind mitgenommen und werde es ihr natürlich nicht mehr in die Hand geben. Ich gestehe dir, daß ich selbst mich nicht in ihr Zimmer wagen würde. Du wirst sie fortjagen müssen, nachdem du sie abgelohnt hast.«
    »Ich, ich!« rief er aus. Er fing an, heftig auf und ab zu gehen, eine sich steigernde Wut arbeitete in ihm, und er brach los: »Jetzt habe ich aber alle diese alberne Geschichten endlich satt! Mit deiner Schwangerschaft, deiner Niederkunft, und jetzt mit deinen Ammen ist das Haus unerträglich geworden, man hat ja bald von morgens bis abends nichts andres zu tun als sich herumzuschlagen! Zuerst hat man behauptet, daß die erste, die, welche ich mir die Mühe genommen habe, auszuwählen, keine gute Milch habe. Jetzt ist eine zweite da, die angeblich gute Milch hat, die sich aber betrinkt und das Kind erstickt. Nun wird eine dritte daran kommen, irgendeine andre Nichtsnutzige, die uns vollends zu Tode ärgern und aufessen wird. Nein, das ist zu viel, ich habe es satt!«
    Valentine war ruhig geworden und bot ihm die Stirn.
    »Was? Was hast du satt? Das hat ja keinen Sinn. Wir haben ein Kind, so müssen wir wohl eine Amme haben. Du selbst hättest es als einen Unsinn bezeichnet, wenn ich sie hätte selber stillen wollen. Wenn du mich den ganzen Tag mit dem Kinde auf dem Arm sähest, so würdest du das Haus wirklich unbewohnbar finden. Und dann will ich nicht selber stillen, und ich kann nicht. Wie du sagst, wir werden eine dritte Amme nehmen, das ist ganz einfach, und zwar sofort, aufs Geratewohl.«
    Er war plötzlich vor

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