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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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unfehlbar. Und da der Vater sich auf ihn stürzen wollte, ihn Lügner und Mörder nannte, ihm zuschrie, daß er ihn vor Gericht bringen werde, erklärte er, er sei einverstanden, er werde dann die ganze Geschichte erzählen. Da verließ den Unglücklichen die Kraft, er taumelte, sank in einen Sessel unter den aufeinanderfolgenden Schlägen dieser gemeinen Enthüllungen. Seine Tochter schwanger, großer Gott! Seine Tochter Schuldige, Verbrecherin und Opfer! Das war der Einsturz des Himmels, das Ende der Welt! Und er schluchzte, er stammelte, immerfort mit hilflosen Wahnsinnsgebärden durch die Luft greifend, wie um all diese Trümmer abzuwehren:
    »Ihr seid Mörder! … Ihr seid Mörder, alle Mörder!… Ihr kommt in den Bagno, alle, alle in den Bagno!«
    Sérafine, die sich an seine Seite gesetzt hätte, wollte wieder seine Hände ergreifen, kämpfte tapfer mit ihm, um ihn zu besiegen.
    »Nein! Ihr seid Mörder, alle Mörder!… Sie kommen in den Bagno, als erste in den Bagno!«
    Sie hörte nicht auf ihn, redete unablässig zu ihm, sprach von rührenden Dingen, erinnerte ihn, wie sie das teure Kind geliebt habe, wie sie ihr zugetan gewesen sei. immerfort darauf bedacht, ihr Freude zu machen.
    »Nein, nein, Sie sind die Mörderin!… In den Bagno, in den Bagno, alle seid ihr Mörder!«
    Indessen hatte Sarraille, Sérafine ihrem Kampfe überlassend, Mathieu beiseite genommen, denn er vermutete in ihm einen möglichen Zeugen, wenn die Sache eine schlimme Wendung nahm. Und er erklärte ihm, wie die Operation vorgenommen werde, daß sie ganz einfach sei und kaum drei Minuten in Anspruch nehme. Nur sei stets die Gefahr einer Verblutung sehr groß. Er habe daher nur neue Pinzetten verwenden wollen, um die Arterien bis zur Verheilung zusammenzuhalten. Er habe acht Pinzetten verwendet, habe sogar die Vorsicht gebraucht, sich des Abends nochmals zu überzeugen, ob sie festhielten, habe sie nochmals überzählt; und nun, welches Unglück! Eine von ihnen sei des Nachts abgefallen, offenbar, weil die Feder infolge eines Fabrikationsfehlers nachgegeben habe. Und das sei nun sein einziger Selbstvorwurf, daß er ganz neue Pinzetten verwendet habe, die noch nicht erprobt waren; gerade sein Übermaß an gutem Willen habe das Unglück herbeigeführt! Dann mußte dazu noch kommen der schwere Schlaf der Wärterin, die Schwäche der Operierten, die offenbar nicht einmal gefühlt hatte, daß all ihr Blut hinfließe, und sanft gestorben sein müsse, so wie man einschläft. Und er schwor nochmals mit kühner Ruhe, daß die lokale Untersuchung einen jeden seiner Kollegen ganz ebenso getäuscht haben würde, im Zusammenhalt mit den so klaren Angaben der jungen Dame, deren Beschreibung ihrer angeblichen Schmerzen einen überzeugenden Ton von Wahrhaftigkeit gehabt hätte.
    »Oh, ich bin sehr ruhig,« sagte er halblaut, »und im übrigen deckt mich auch die Baronin de Lowicz hier vollständig, denn auch sie hat gelogen, als sie mir eine Geschichte erzählte von einer Nichte, die ihr von ihren Eltern aus der Provinz hierhergesendet worden sei. Man kann mich anzeigen, ich werde mich verantworten. Es war eine ausgezeichnete, vollkommen gelungene Operation, um die mein Meister Gaude mich beneidet hätte!«
    Er blieb jedoch sehr bleich, sein Mund war nervös verzogen, seine großen grauen Augen brannten in verbissener Empörung gegen das Schicksal, das sich unerbittlich feindselig gegen ihn stellte. Er hatte die Gefahr einer solchen Operation nur auf sich genommen, in der Hoffnung, die mitschuldige Baronin dann seinem Glücke dienstbar zu machen; und jetzt würde ein unsinniger Zufall ihn vielleicht vor das Kriminalgericht bringen! Er war nicht einmal mehr sicher, ob er die tausend Franken erhalten werde, die diese Frau ihm versprochen hatte; denn er kannte ihren Geiz, sie hätte nur aus Liebe für ihre kleine Freundin bezahlt. Er hatte in dieser Sache die schlimmste der Niederlagen erlitten, und eine ohnmächtige Wut erfüllte ihn, daß es ihm nicht gelingen wollte, dem Glück Gewalt anzutun.
    Mathieu kehrte zu Sérafine zurück, die nicht aufgehört hatte, Morange mit ihrem Zureden, mit ihren Tröstungen zu betäuben. Sie hatte wieder seine Hände erfaßt, sie ermüdete ihn mit immer denselben Worten, sprach von ihrer Zuneigung, ihrem schrecklichen Schmerze, ihrer Furcht, das teure Andenken der Verstorbenen in den Kot gezerrt zu sehen, wenn er nicht vernünftig genug sei, das furchtbare Geheimnis zu bewahren. Sie nahm ihren Teil der

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