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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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das Leere umfaßten. Von einer Sekunde zur andern kein Kind mehr.
    Blaise stand mit den Eltern am Kopfende des Bettes, als Maurice, gegen zwei Uhr morgens, den Geist aufgab; und sobald er konnte, sandte er die Nachricht von dem Tode telegraphisch nach Chantebled. Es schlug neun Uhr, als Marianne bleich und fassungslos Mathieu rief.
    »Maurice ist tot! Mein Gott, der einzige Sohn, die armen Leute!«
    Sie waren erstarrt vor Entsetzen, ein eisiger Schauer überlief sie. Sie hatten kaum von der Krankheit vernommen gehabt, die sie nicht einmal für ernst gehalten hatten.
    »Ich kleide mich um,« sagte Mathieu, »und fahre mit dem ZehneinviertelUhrZuge hinein. Ich muß sie umarmen und ihnen mein Beileid bezeigen.«
    »Obgleich sie seit acht Monaten schwanger war, entschloß sich Marianne sofort, ihn zu begleiten. Es hätte sie geschmerzt, wenn sie ihren Cousins nicht diesen Beweis liebevoller Anteilnahme hätte geben können, die sich im ganzen recht freundlich gegen Blaise und seine junge Frau gezeigt hatten. Und diese Katastrophe zerriß ihr geradezu das Herz. Nachdem sie noch rasch die Arbeit für den Tag verteilt hatten, erreichten sie in Janville gerade noch rechtzeitig den Zug von ein Viertel nach zehn Uhr. Der Zug war schon in Bewegung, als sie entdeckten, daß die Lepailleur mit ihrem Sohne Antonin sich im selben Coupé befanden.
    Da er sie so in feierlichem Aufzuge miteinander fahren sah, glaubte der Müller, daß sie auf dem Wege zu einer Unterhaltung seien; und als er hörte, daß es sich um einen Trauerbesuch handelte, sagte er: .
    »Dann ist es also das Gegenteil. Alles eins, es ist eine Abwechslung, es zerstreut.«
    Seit dem großen Erfolge Mathieus, seitdem dieser den ganzen gewaltigen Besitz urbar und fruchtbringend gemacht hatte, behandelte Lepailleur diesen Städter mit einiger Achtung. Aber obgleich er die erzielten Resultate nicht leugnen konnte, ergab er sich nicht, fuhr fort, hämisch zu lächeln, anscheinend irgendeinen Einsturz des Himmels oder der Erde erwartend, der ihm recht geben würde. Er wollte nicht unrecht haben, er wiederholte, daß er wisse, was er wisse, und daß man schon eines Tages sehen werde, ob das Leben des Bauern nicht das elendste Leben sei, seit dem Bankerott dieser niederträchtigen Metze von Erde, auf der nichts mehr wachse. Im übrigen hatte er seine Rache, diese Enklave, deren dürre Felder er brach liegen ließ, wie um gegen den benachbarten Besitz zu protestieren, den sie durchschnitt und verunstaltete. Der Gedanke daran verursachte ihm spöttische Befriedigung.
    »Nun,« fagte er, in seinem selbstgefällig spaßhaften Tone, »wir fahren auch nach Paris, alle miteinander. Wir wollen nämlich diesen jungen Herrn dort unterbringen.«
    Er deutete auf seinen Sohn Antonin, nun achtzehn Jahre alt, ein großer rothaariger Junge mit dem langen Gesichte seines Vaters, aber verweichlichten Zügen, auf der Oberlippe einige spärliche, farblose Barthaare. Er war als Städter gekleidet, mit Zylinder, Handschuhen und einer grellblauen Krawatte. Nachdem er Janville durch seine Schulerfolge in Erstaunen gesetzt, hatte er solchen Widerwillen gegen jede Handarbeit gezeigt, daß sein Vater beschlossen hatte, aus ihm, wie er sagte, einen Pariser zu machen.
    »Es ist also entschieden, Sie haben Ihren Entschluß gefaßt?« fragte Mathieu freundlich, der die Verhältnisse kannte.
    »Ja freilich, warum sollte ich ihn Wasser und Blut schwitzen lassen, ohne die geringste Hoffnung, reich zu werden? Weder mein Vater noch ich haben jemals einen Sou beiseite legen können in dieser verdammten Mühle, deren Mühlsteine mehr verwittern als sie Korn mahlen. Ebenso wie unsre armseligen Felder mehr Steine als Taler tragen. Da er nun also ein Studierter ist, so soll er nach seinem Gefallen tun, soll er nach Paris gehen, um sein Glück zu versuchen. Nur in der Stadt kann man ein Mensch werden.«
    Madame Lepailleur, die den Blick nicht von dem Sohne wandte, den sie anbetete, so wie sie einst ihren Mann angebetet hatte, sagte nun ihrerseits mit verklärtem Gesichte:
    »Ja, ja, er hat einen Platz als Schreiber bei Maître Rousselet, dem Advokaten. Wir haben ihm ein kleines Zimmer gemietet, und ich habe ihm die Möbel und die Wäsche besorgt; und heute ist nun der große Tag, er wird heute nacht dort schlafen, nachdem wir in einem guten Restaurant miteinander gegessen haben. Ach, wie froh bin ich, jetzt kommt er endlich hinaus!«
    »Und vielleicht bringt er es noch bis zum Minister,« sagte Mathieu lächelnd.

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