Fruchtbarkeit - 1
sie ein wohlgetroffenes, aber geschmeicheltes Medaillonbild gemalt hatte, war sicherlich nicht zum kleinsten Teile von der Achtung beeinflußt, welche die Bürgersfrau für die Talente einer guten Erziehung empfand. Blaise übrigens, der die Schaffenslust, die rastlose Arbeitsfreude der Froment hatte, war für Maurice sehr rasch ein wertvoller Helfer geworden, sobald er, nach einem kurzen Aufenthalte im Bureau Moranges, Einblick in die Geschäfte des Hauses gewonnen hatte. Maurice war es auch, der, immer weniger von seinem bloß seinen Genüssen nachjagenden Vater unterstützt, darauf gedrungen hatte, daß das junge Ehepaar das Häuschen beziehe, damit er zu jeder Stunde über seinen Vetter verfügen könne; und die Mutter, die vor ihrem Sohn im Staube lag, hatte nichts anders tun können, als ehrfurchtsvoll zu gehorchen. Sie hegte einen unbegrenzten Glauben an die Größe seines Geistes. Er hatte, trotz der Verzögerungen durch die Krankheiten seiner Jugend, seine Studien ziemlich erfolgreich beendet, indem er durch Fleiß seine etwas langsame, etwas schwere Auffassung wettmachte. Da er wenig sprach, gab sie ihn für ein tiefes, verschlossenes Genie aus, dessen Taten einmal Erstaunen erwecken würden. Er war noch nicht fünfzehn Jahre alt, als sie in ihrer Vergötterung schon von ihm sagte: »Oh, das ist ein Kopf!« Und Blaise war in ihren Augen natürlich nur der notwendige Gehilfe, der bescheidene Diener, das Werkzeug in der Hand des Meisters, der alles wußte und alles leitete. Wie stark war er nun, wie schön, im Begriffe, das durch den langsamen Verfall seines Vaters geschädigte Haus wieder auf die Höhe zu bringen, auf dem Wege zu dem ungeheueren Reichtum, zu dem endgültigen Triumph des einzigen Sohnes, den sie seit so vielen Jahren erträumt, so stolz und egoistisch vorbereitet hatte!
Da fuhr der Blitzstrahl nieder. Blaise hatte nicht ohne Zögern eingewilligt, das kleine Häuschen zu bewohnen, da er wohl wußte, daß man ihn zur Rolle eines willenlosen Werkzeuges herabdrücken wollte. Dann, nach der Entbindung seiner Frau, angesichts dieses ersten Kindes, eines Mädchens, das ihm geboren worden war, hatte er sich tapfer entschlossen, hatte den Kampf auf sich genommen, so wie sein Vater ihn einst auf sich genommen hatte, im Gedanken an die zahlreiche Familie, die auch ihm zuteil werden könnte. Eines Morgens nun, als er hinaufging, um die Aufträge Maurices entgegenzunehmen, teilte ihm Constance mit, daß sie ihren Sohn bestimmt habe, im Bette zu bleiben, da sie ihn nach einer unruhigen Nacht sehr abgespannt gefunden habe. Sie war darüber jedoch nicht sehr beunruhigt: er war wohl nur etwas ermüdet, denn die beiden Vettern hatten sich seit acht Tagen sehr überanstrengt, um eine bedeutende Bestellung abzuliefern, die die ganze Fabrik in fieberhafter Tätigkeit hielt. Anderseits hatte Maurice den Tag vorher die Unvorsichtigkeit begangen, sich erhitzt und bloßköpfig in einem Schuppen dem Luftzug auszusetzen, während eine Maschine versucht wurde. Am Abend trat heftiges Fieber auf, und es wurde eiligst nach Doktor Boutan geschickt. Am nächsten Morgen verlangte dieser, beunruhigt durch die rapide Steigerung der Krankheit, ein Konsilium; zwei seiner Kollegen kamen und waren bald einig. Es war galoppierende Schwindsucht von besonders bösartiger Natur, als ob die Krankheit, auf empfänglichen Boden gefallen, eine außerordentliche Zerstörungskraft entwickelte. Beauchêne war abwesend, auf, einer seiner fortwährenden Reisen. Constance hielt trotz der ernsten Gesichter der Ärzte, die nicht erbarmungslos sein wollten, in ihrer steigenden Unruhe eigensinnig an der Hoffnung fest, daß ihr Sohn, der Held, der Gott, der ihrem Leben so nötig war, nicht ernstlich krank sein und sterben konnte. Am zweitnächsten Tage starb er in ihren Armen, in der Nacht, da Beauchêne, den man telegraphisch zurückberufen hatte, heimkehrte. Es war im Grunde nichts andres als die letzte Zersetzung des verdünnten, an der Quelle verdorbenen Blutes eines Städters, das plötzliche Verschwinden eines armen mittelmäßigen Geschöpfes, welches hinter seiner gesunden Außenseite von Kindheit auf krank gewesen war. Aber welch zerschmetternder Schlag für die Mutter, für den Vater, deren Berechnungen nun alle zerstört waren! Der einzige Erbe, der Fürst der Industrie, den die starrsinnige Beschränkung ihres Egoismus gewollt hatte, verschwand wie ein Schatten, und die entsetzliche Wirklichkeit stand vor ihnen, als ihre Arme nur mehr
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