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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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»Wer weiß? Alles ist möglich.«
    Es war die Auswanderungssucht der Landleute nach der Stadt, die fieberhafte Ungeduld, rasch zu Reichtum zu gelangen, von der auch diese Leute ergriffen waren; die Eltern feierten die Abreise, begleiteten den Überläufer, von der eitlen Gier getrieben, mit ihm um eine Klasse zu steigen. Und der Landwirt von Chantebled, der Bauer gewordene Städter, mußte lächeln über dieses ChasséCroisé, daß der Sohn des Müllers nach Paris ging, während er zur Erde zurückgekehrt war, zur gemeinsamen Mutter aller Kraft und aller Wiedergeburt.
    Antonin hatte ebenfalls zu lächeln angefangen, der verschlagene Taugenichts, den hauptsächlich das lustige Leben in Paris anzog.
    »Oh, Minister, danach habe ich kein besonderes Verlangen Da muß man sich zu viel planen. Ich möchte lieber gleich eine Million gewinnen, um mich dann auszuruhen.«
    Die Lepailleur lachten geräuschvoll, voll Stolz über so viel Gescheitheit. Oh, der Junge würde es noch weit bringen, das war sicher!
    Marianne, die bisher, das Herz beschwert von der Trauer, die sie erwartete, still geschwiegen hatte, wollte doch ein Wort einwerfen; sie fragte, warum die kleine Thérèse nicht mit bei dem Feste sei. Lepailleur antwortete trocken, daß er nicht daran denke, sich mit einem sechsjährigen Kinde zu schleppen, das noch nicht verstehe, sich aufzuführen. Das sei auch eine, die besser getan hätte, zu bleiben, wo sie war, denn sie habe das Haus ganz zerstört! Und da Marianne ihr lebhaftes Erstaunen kundgab und sagte, daß sie selten ein so kluges und hübsches Kind gesehen habe, erwiderte Madame Lepailleur weicher:
    »Es ist wahr, sie ist durchtrieben, aber trotzdem, die Mädchen, die kann man nicht nach Paris schicken, man muß sie ausheiraten, und das gibt viel Sorgen und kostet viel Geld. Na, sprechen wir lieber nicht davon, da wir heute nur glücklich sein wollen.«
    In Paris, beim Ausgang aus dem Nordbahnhofe, wurden die Lepailleur von dem reißenden Menschenstrom ergriffen, fortgetragen und verschlungen.
    Als der Wagen auf dem Quai d’Orsay vor dem Wohnhause der Beauchêne hielt, erkannten Mathieu und Marianne das Coupé der Séguin, das am Trottoir wartete; hinter den Fensterscheiben sahen sie die beiden Mädchen, Lucie und Andrée, in lichten Kleidern stumm und unbeweglich sitzen und warten. Und aus dem Tor trat eben auch Valentine, in ihrer gewöhnlichen fahrigen Art, sehr eilig. Aber als sie sie erblickte, nahm ihr Gesicht den Ausdruck tiefen Mitleids an, und sie sprach das Wort, das sich auf alle Lippen drängte:
    »Ach, welch entsetzliches Unglück, der einzige Sohn!«
    Dann fügte sie noch gesprächig hinzu:
    »Sie eilen gleich mir herbei, natürlicherweise. Denken Sie sich, ich habe vor kaum einer Stunde durch Zufall von der Katastrophe gehört; und, wie ich schon Glück habe, meine Kinder waren bereits angekleidet und ich war eben im Begriffe, mich anzukleiden, um sie zu einer Trauung in die Kirche zu führen – eine Cousine unsers Freundes Santerre, die einen Diplomaten heiratet. Dabei ist mein ganzer Nachmittag vergeben. Also habe ich nicht gezögert, obgleich die Trauung für ein Viertel zwölf Uhr angesetzt war, mich hierher fahren zu lassen, ehe ich mich in die Kirche begebe; und natürlich bin ich allein hinaufgegangen, meine Kinder erwarten mich hier im Wagen. Wir werden wohl etwas spät zur Trauung kommen… Sie werden sie sehen, die armen Eltern, in ihrem leeren Hause, neben der Leiche, die sie sehr hübsch auf dem Bette aufgebahrt haben. Es ist herzzerreißend.«
    Mathieu betrachtete sie, und fand erstaunt, daß sie nicht alterte, als ob sie an der Flamme ihres tollen Lebens austrocknete. Infolge seiner fortwährenden geschäftlichen Beziehungen mit Séguin wußte er von der vollkommenen Zersetzung ihrer Ehe. Séguin lebte nun offenkundig mit Nora, der ehemaligen Erzieherin, die es vorgezogen hatte, sich ein eignes kleines Haus von ihm einrichten zu lassen, als das angenehme Leben zu vieren in der Avenue d’Antin gestört worden war. Er hatte Mathieu sogar zu seiner Geliebten bestellt, um den vollkommenen und endgültigen Verkauf der Besitzung Chantebled zu vollziehen. Und seitdem Gaston in die Militärschule von SaintCyr eingetreten war, hatte Valentine nur noch ihre beiden Töchter bei sich in dem großen und prächtigen Hause, das unter dem zerstörenden Hauche der Zwietracht allmählich dem Ruin anheimfiel.
    »Ich möchte gerne haben,« fuhr sie fort, »daß Gaston Urlaub erbitte, um dem

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