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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sehr liebenswürdig, ihm ungezwungen die Hand entgegenstreckend. »Madame Froment befindet sich wohl, die Kinderchen sind gesund und munter, ja?«
    Aber Séguin, der ihr Kleid betrachtete, ein weißes Seidenkleid, mit Spitzen geputzt, hatte einen Anfall jener Brutalität, deren Rücksichtslosigkeit manchmal wie eine Explosion die Decke der überaus großen Höflichkeit sprengte, welche er affektierte.
    »Und um diesen Fetzen anzuziehen, hast du uns warten lassen? Noch nie warst du so geschmacklos gekleidet.«
    Und sie war mit der Überzeugung eingetreten, dass sie entzückend sei! Sie biss die Zähne aufeinander, um nicht zu weinen, während ihr Mädchengesicht sich verdüsterte und einen Ausdruck hochmütiger Empörung und Rachsucht annahm. Langsam wendete sie die Augen gegen den anwesenden Freund, welcher sie mit entzückter Miene betrachtete, sie mit dem schmeichelnden Blicke eines willenlos ergebenen Sklaven umfasste.
    »Sie sind bezaubernd,« sagte er leise. »Diese Toilette ist ein Wunderwerk.«
    Séguin lachte und neckte Santerre mit seinem Mangel an Originalität den Frauen gegenüber. Valentine, durch das Kompliment besänftigt, fand ihre Fröhlichkeit eines freien Vogels wieder und rief aus, dass ein Mann sie mit guten Worten überallhin führen könnte. Und es folgte ein Stück Konversation von einer Freiheit, einer Ungeniertheit, welche Mathieu verblüffte, der sich unbehaglich fühlte und das lebhafte Verlangen empfand, sich zu entfernen, aber sich zwang, so lange zu bleiben, bis er die verlangte Reparatur bewilligt erhalten hätte.
    »Oh, in Worten erlaube ich alle Spielereien,« sagte der Gatte endlich. »Aber lass dir nicht einfallen, einem andern anzugehören, oder ich töte dich wie ein Kaninchen.«
    Er war tatsächlich sehr eifersüchtig. Getröstet, machte sie ihren Frieden mit ihm und fügte in der Art einer guten kleinen Frau hinzu:
    »Gedulde dich noch ein wenig, ich habe Céleste aufgetragen, die Kinder hereinzubringen, damit wir ihnen einen Kuss geben, ehe wir gehen.«
    Mathieu wollte diesen Aufschub benutzen und versuchte auf sein Anliegen zurückzukommen. Aber schon hatte Valentine wieder zu plaudern begonnen, sprach davon, das zweideutigste Restaurant zu wählen, um dort zu dinieren, fragte, ob es rechte Abscheulichkeiten seien, die man gestern bei der Generalprobe des Stückes ausgepfiffen hatte, welches sie sehen wollten. Und sie erschien zwischen den zwei Männern wie eine gelehrige Schülerin, welche ihre Ansichten noch übertrieb, einen extremen Pessimismus zur Schau trug, über den sie selber lachten, in Literatur und Kunst der intransigentesten Richtung huldigte. Wagner war sehr überschätzt und bereits unmodern, sie verlangte die Musik ohne Knochengerüst, die freie Harmonie des Windes. In bezug auf die Moral war sie großartig: sie hatte das Leben aller Heldinnen Ibsens nachgelebt, sie war bei der Frau von reiner, unnahbarer Schönheit angelangt, sie fand AnneMarie, die letzte Schöpfung Santerres, viel zu materiell und entwürdigt, weil der Dichter an einer häßlichen Stelle sage, dass die Küsse Norberts auf ihren Lippen ihre Spur zurückließen. Er stellte diesen Satz in Abrede, und sie ergriff den Band, um ihn zu suchen.
    »Aber ich habe das Kind von ihr ferngehalten,« sagte der Dichter verzweifelt.
    »O Gott,« sagte sie, »das halten wir uns alle fern, darin liegt kein Heroismus mehr, das ist schon gut bürgerlich geworden. AnneMarie muss, wenn sie unsre Seele erheben soll, fleckenloser Marmor sein, und die Küsse Norberts dürfen an ihr nicht haften können.« Aber sie wurde nun unterbrochen, denn Céleste, die Zofe, ein großes, brünettes Mädchen mit starken Zügen und freundlichem Gesichtsausdruck, brachte die Kinder. Gaston war fünf Jahre alt, und Lucie drei, beide von der Blässe im Schatten erblühter Rosen, zart und schwächlich. Sie waren blond wie die Mutter, der Knabe ein wenig rötlich, das Mädchen mattblond. von der Farbe des Hafers, und sie hatten auch ihre blauen Augen, mit dem schmäleren und längeren Gesichte des Vaters. Alle beide, sorgfältig frisiert, weiß gekleidet, mit außerordentlicher Koketterie zurechtgemacht, ähnelten großen lebenden Puppen von kostbarer Gebrechlichkeit. Der Stolz der Eltern war geschmeichelt, und sie verlangten, dass die Kleinen ihre Rolle spielen sollten.
    »Nun? Sagt man niemand guten Abend?«
    Die Kinder, an Fremde gewöhnt, sahen den Anwesenden ohne Schüchternheit ins Gesicht. Wenn sie sich nicht sehr beeilten, so

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