Fruchtbarkeit - 1
in seinen Reden, gleich den Trinkern, die vermeiden, vom Wein zu sprechen. Seitdem Mathieu durch seine Ehe mit Marianne sein angeheirateter Cousin geworden, wußte Beauchêne, daß jener so treu im Herzen, so geregelt in seinem Leben, ein so musterhafter Gatte war, daß er zweifellos wenig Geneigtheit bei ihm voraussetzte, derlei Geschichtchen mit verständnisvoller Heiterkeit aufzunehmen. Heute jedoch wagte er es daraufhin, machte ihn zum Vertrauten seiner galanten Erfolge, hielt ihn fest am Arm, drückte sich dicht an ihn und erzählte ihm ins Ohr hinein mit etwas belegter Stimme, als ob der ganze Boulevard ihn hätte hören können.
»Das hat sich, wie Sie sich wohl vorstellen können, so eingefädelt, ohne daß ich mir anfangs etwas dabei dachte. Sie kreiste um mich herum, warf mir verlangende Blicke zu. Ich sagte mir: ›Mein liebes Kind, du verlierst deine Zeit, es gibt deren genug auf der Straße, die ich mir auflese, wenn ich ihrer bedarf.‹ Und das hinderte nicht, daß ich mich heute auf sie gestürzt habe, wie Sie ja gesehen haben; so daß die Sache jetzt perfekt werden wird, da sie versprochen hat, heute abend in ein kleines Nest zu kommen, das ich hier in der Nähe gemietet habe. Es ist eine Dummheit, aber hol’s der Teufel! Man ist nicht aus Holz! Wenn ich auf ein Weib Lust habe, so werde ich rasend. Die Blondinen sind sonst nicht sehr nach meinem Geschmack. Aber auf diese bin ich begierig. Wie? Was glauben Sie? Sie muß amüsant sein.«
Dann, als ob er einen wichtigen Punkt vergessen hätte:
»Ja, Sie müssen wissen, daß sie schon in den Apfel gebissen hat. Ich habe Erkundigungen eingezogen, sie hat sich mit sechzehn Jahren dem Kellner des Weinstubenbesitzers ergeben, von dem die Moineaud die drei kleinen Zimmer gemietet haben, in denen sie sich alle zusammendrängen. Jungfrauen sind nicht mein Geschmack, und überdies tut man so was nicht, es ist zu gefährlich.«
Mathieu, der mit geistigem und körperlichem Unbehagen zuhörte, fragte einfach:
»Nun, und Ihre Frau?«
Beauchêne blieb plötzlich stehen, einen Augenblick sehr betreten.
»Wie das, meine Frau? Was wollen Sie damit sagen, meine Frau? Meine Frau ist natürlich zu Hause, sie wird sich zu Bette legen und mich erwarten, nachdem sie sich überzeugt hat, daß unser kleiner Maurice gut schläft. Meine Frau ist eine anständige Frau, mein Lieber, was wollen Sie, daß ich Ihnen mehr sage?«
Und seinen Weg fortsetzend, immer zutraulicher und aufgeknöpfter werdend in seiner Stimmung eines Menschen, der gut gegessen und viel getrunken hat, welche Stimmung die Abendatmosphäre des Boulevardpflasters noch zu erhöhen schien, fuhr er fort:
»Hören Sie einmal, lieber Freund! Wir sind ja keine Kinder, wir sind Männer, zum Henker! Und das Leben ist das Leben, dabei bleibe ich nun einmal … Meine Frau! Aber es gibt ja niemand auf der Welt, den ich höher achtete! Als ich sie heiratete, in den traurigen Geldkalamitäten, von denen Sie ja wissen, da, ich will Ihnen das, ganz unter uns, gestehen, liebte ich sie gar nicht, das heißt, physisch, verstehen Sie wohl. Wenn ich sage, daß sie wirklich viel zu mager für meinen Geschmack war, so verletze ich damit wohl in keiner Weise die Achtung gegen sie, um so weniger, als sie das selbst eingesehen und alles mögliche versucht hat, um etwas voller zu werden – was ihr übrigens absolut nicht gelungen ist. Nun, man heiratet doch nicht eine Frau, um aus ihr seine Mätresse zu machen, nicht wahr? Also sehen Sie. Ich hege für sie die tiefe Achtung, welche jeder Familienvater für die Mutter seines Kindes empfindet. Der häusliche Herd ist heilig, man beschmutzt nicht den häuslichen Herd, und wenn ich mich nicht als treuen Gatten ausgeben kann, so kann ich doch zu meiner Entschuldigung anführen, daß ich nicht zu denen gehöre, die ihre Frauen entwürdigen. Von dem Moment, wo ich die meinige nicht allabendlich in die Gefahr bringen kann, ein Kind zu bekommen, und erröten würde, von ihr gewisse Willfährigkeiten zu verlangen, finde ich, daß es sie noch achten heißt, indem man anderswohin geht, die Bestie zu sättigen, wenn man, wie ich, das Unglück hat, von dem unbefriedigten Appetit bis zum Kranksein gepeinigt zu werden.«
Er lachte, er glaubte diese heiklen Dinge sehr angemessen, sehr rücksichtsvoll gegenüber seiner Hausehre ausgedrückt zu haben.
»Und,« sagte Mathieu, »Cousine Constance kennt diese hübsche Theorie? Sie billigt sie, sie läßt Sie anderswohin gehen, wie Sie sagen?«
Das
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