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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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welche die Küsse Norberts nicht zugrunde richteten.
    »Ach, die Unterschlagung!« rief Santerre, der Valentinen mit größter Dreistigkeit repliziert hatte, »die Leute sind sehr unterhaltend mit ihrem Feldzuge gegen die Unterschlagung! Ein Arzt in einer kleinen Stadt hat die Idee gehabt, in einem Buche alle erdenkbaren Unterschlagungen zu bekämpfen, wahre Ungeheuerlichkeiten. Und die Folge war, daß er sie einfach seinen Bauern gelehrt hat, die sich bis dahin in Unwissenheit darüber befunden hatten, wie man derlei anstellt, so daß sich die Anzahl der Geburten in dieser Gegend um die Hälfte vermindert hat.«
    Céleste rührte sich nicht, die Kinder hörten zu, ohne zu verstehen. Und inmitten des allgemeinen Gelächters, das die Anekdote erregt hatte, brachen die Séguin und Santerre endlich auf. Erst unten im Vestibül erreichte Mathieu von seinem Hauseigentümer das Versprechen, daß er den Klempner von Janville beauftragen werde, das Dach ganz neu herzustellen, da es in die Zimmer hineinregne.
    Der Landauer wartete am Tore. Und als das Ehepaar samt dem Freunde Santerre denselben bestiegen hatte, fiel es Mathieu, der zu Fuße fortging, ein, die Augen zu erheben. An einem Fenster sah er Céleste zwischen den beiden Kindern, zweifellos um sich zu vergewissern, daß Monsieur und Madame auch wirklich fortgefahren seien. Er erinnerte sich an die Ausfahrt Reines bei den Morange. Aber hier blieben Gaston und Lucie unbeweglich, freudlos ernst, und weder die Mutter noch der Vater dachte daran, den Kopf zu erheben.
     
     

4
    Als Mathieu um halb acht Uhr das Restaurant auf der Place de la Madeleine betrat, wo er mit Beauchêne zusammentreffen sollte, fand er diesen und den Kunden, Mr. FironBadinier, bereits bei Tische vor zwei Gläsern Madeira. Das Diner war ausgezeichnet: erlesene Gerichte, feinste Weine, und alles in reicher Fülle. Aber was den jungen Mann mehr noch als der Appetit der beiden andern, die sich als gewaltige Esser und Trinker erwiesen, in Erstaunen setzte, das war die wohlangebrachte Behaglichkeit seines Chefs, die zielbewußte und fröhliche Geschicklichkeit, die er zwischen wechselnden Schüsseln und über vollen Gläsern spielen ließ, so daß, als man beim Braten angelangt war, der Kunde nicht nur die neue Dreschmaschine bestellt, sondern auch den Preis für eine Mähmaschine bewilligt hatte. Dieser wollte mit dem Neunuhrzwanzigzug nach Evreux zurück; und als es neun Uhr geworden war, gelang es Beauchêne, der nun den lebhaften Wunsch empfand, sich seiner zu entledigen, ihn zu bestimmen, daß er sich für die kurze Strecke, die ihn vom Bahnhofe SaintLazare trennte, einen Wagen nehme.
    Mit Mathieu allein auf dem Trottoir geblieben, nahm Beauchêne den Hut ab und badete seine heiße Stirn in der köstlichen Luft der Mainacht.
    »Uf! Das wäre abgemacht!« sagte er lachend. »Und es ging nicht allzu leicht. Es war Château Lafitte nötig, um ihn herumzukriegen, den Kerl. – Und überdies hatte ich gehörige Angst, daß er mir vielleicht nicht vom Halse gehen und ich mein Rendezvous versäumen würde.«
    Diese Worte, die ihm in seiner Halbtrunkenheit entschlüpften, schienen ihn zu einer plötzlichen Offenherzigkeit zu bestimmen. Er setzte den Hut wieder auf, zündete eine frische Zigarre an; und den jungen Mann unterm Arm nehmend und gemächlich mit ihm durch die lebhaft flutende Menge der im elektrischen Lichte strahlenden Boulevards schlendernd, fuhr er fort:
    »Oh, wir haben Zeit, man erwartet mich nicht vor halb zehn Uhr, und es ist ganz in der Nähe. Wollen Sie eine Zigarre? Nein, Sie rauchen nicht?«
    »Nein.«
    »Also, lieber Freund, es wäre Unsinn, wenn ich Heimlichkeiten vor Ihnen hätte, da Sie mich doch heute vormittag gesehen haben. Und ich begehe eine Dummheit, das leugne ich nicht, denn ich weiß im Grunde ganz gut, daß es weder anständig noch klug ist, daß ein Chef sich mit einer seiner Arbeiterinnen einläßt. Das geht immer schlecht aus, so kann man ein Haus zugrunde richten, und bis heute bin ich auch, ich schwöre es Ihnen, gescheit genug gewesen, keine einzige zu berühren. Sie sehen, ich verschone mich nicht mit der Wahrheit. Aber was wollen Sie? Dieser Satan von einer Blondine hat mir Feuer in die Adern gegossen mit den Stückchen weißer Haut, die sie da und dort sehen läßt, und mit ihrem eignen Lächeln, als ob man sie immer kitzelte.«
    Es war das erstemal, daß er Mathieu eine vertrauliche Mitteilung dieser Art machte; er war sonst immer nüchtern und zurückhaltend

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