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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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war es aus natürlicher Trägheit, und weil sie nicht gern gehorchten. Indessen taten sie doch, was von ihnen begehrt wurde, und ließen sich umarmen.
    »Guten Abend, Onkel Santerre.«
    Dann zögerten sie vor Mathieu, und der Vater mußte ihnen den Namen des Herrn vorsagen, obgleich sie ihn schon zwei oder dreimal gesehen hatten.
    »Guten Abend. Monsieur Froment.«
    Valentine nahm sie, hob sie auf, erstickte sie mit Liebkosungen. Sie vergötterte sie und vergaß sie, sobald sie sie wieder zu Boden gesetzt hatte.
    »Du gehst also wieder fort, Mama?« fragte der Knabe.
    »Ja, mein Herzchen. Du weißt, daß die Papas und Mamas fortgehen müssen, weil sie zu tun haben.«
    »Wir werden also allein essen. Mama?«
    Sie antwortete nicht und wandte sich an die Zofe, welche ihre Befehle erwartete.
    »Céleste, Sie verlassen sie nicht eine Minute, verstehen Sie, und dass sie besonders nicht in die Küche gehen. So oft ich nach Hause komme, finde ich sie in der Küche. Es ist unerhört! Geben Sie ihnen um halb acht Uhr zu essen und bringen Sie sie um neun Uhr zu Bett. Und sie sollen schlafen!«
    Das große Mädchen mit dem massigen Kopfe hörte mit respektvoller Unterwürfigkeit zu, während ihr schwaches, kaum merkliches Lächeln verriet, dass die Normännin, welche vor fünf Jahren nach Paris gekommen war, schon wohlerfahren im Dienste war und recht gut wußte, was man mit den Kindern macht, wenn die Herrschaft nicht da ist.
    »Madame,« sagte sie ruhig, »Mademoiselle Lucie ist krank. Sie hat wieder erbrochen.«
    »Was? Wieder erbrochen?« rief der Vater wütend. »Ich höre nie etwas andres, sie erbrechen also immer? Und immer im Augenblicke, da wir fortgehen wollen. Meine Liebe, das ist sehr unangenehm, du solltest doch darauf sehen, daß unsre Kinder keine derartigen Papiermachémagen haben.«
    Die Mutter machte eine zornige Gebärde, wie um zu sagen, dass sie nichts dagegen tun könne. Tatsächlich litten die Kleinen häufig am Magen. Sie hatten alle Kinderkrankheiten gehabt, und hatten fast unaufhörlich Fieber und Schnupfen. Und sie bewahrten die stumme, ein wenig unbehagliche Haltung der Kinder, welche den Dienstboten überlassen sind.
    »Ist es wahr, du hast WehWeh gehabt, mein Engel?« fragte Valentine, sich zu dem Kinde hinabbeugend. »Du hast kein WehWeh mehr, nicht wahr? Nein, nein, es ist nichts, gar nichts. Gib mir einen Kuss, mein Herzchen, und sag Papa schön gute Nacht, damit er nicht betrübt ist, wenn er fortgeht.«
    Sie erhob sich, schon wieder beruhigt und heiter. Und da sie Mathieus Blick auf sich gerichtet fand:
    »Ach, diese kleinen Wesen, was man für Kummer mit ihnen hat! Aber Sie sehen, dass man sie doch anbetet, wenn man auch der Ansicht ist, dass sie zu ihrem Heile besser getan hätten, nicht zur Welt zu kommen … Im Übrigen habe ich dem Vaterlande gegenüber meine Pflicht getan; es sollen nur alle Frauen einen Knaben und ein Mädchen haben, wie ich!«
    Worauf Mathieu, da er sah, dass sie scherzte, sich gestattete, ebenfalls lachend zu sagen:
    »Nein, Madame, Sie haben Ihre Pflicht noch nicht getan. Es sind vier nötig, damit das Vaterland gedeihe. Und Sie wissen, was Ihr Arzt, Doktor Boutan, sagt, solange die Frauen, denen er seinen Beistand leiht, nicht vier gehabt haben: ›Die Rechnung stimmt nicht.‹«
    »Vier! Vier!« rief Séguin, wieder von Zorn erfasst. »Wenn ein drittes käme, würde ich mich für einen Verbrecher halten. Ah! Ich stehe Ihnen dafür gut, daß wir das Unsrige tun, um es dabei bewenden zu lassen.«
    »Sie glauben doch wohl nicht,« sagte Valentine ihrerseits heiter, »daß ich alt genug bin, um mich der Gefahr auszusetzen, das bißchen Frische, das mir noch geblieben ist, zu verlieren? Ich möchte nicht gerade ein Gegenstand des Abscheus für meinen Mann werden.«
    »Aber,« erwiderte Mathieu, »sprechen Sie doch auch hierüber mit Doktor Boutan. Ich verstehe nichts davon. Aber er behauptet, was die Frauen ruiniert und altern macht, das seien nicht die Schwangerschaften, sondern die Kunstmittel, die sie anwenden, um sie zu vermeiden.«
    Saftige Scherze, eine ganze Flut leichtfertiger Anspielungen, wie man sie in diesem Hause liebte, folgten diesen Worten. Ein Hauch von Sadismus wehte lustig durch die Unterhaltung, die lachenden Blicke der jungen Frau gegen ihren Mann verrieten ein wenig von den geheimen Praktiken ihres Alkovens, womit er sie zur Dirne erniedrigte. An manchen Morgen war sie davon wie gebrochen, der Kopf schmerzte sie, und sie träumte von AnneMarie,

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