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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Gebären begriffenen Volkes, überall gab es junge Brut, Nester, aus denen Junge ausflogen, überall kamen neue Herden heraus, während hinter diesen schon wieder neue Keime ansetzten, die Zeugung sich ins Unendliche vermehrte, zu einer immer steigenden, überquellenden Flut anwuchs. Auch hier breitete sich der siegende Reichtum der unerschöpflichen Fruchtbarkeit.
    In den Pferdeställen bewunderte Séguin mit Kennerworten die schweren Arbeitspferde; dann kam er wieder auf die Zucht zu sprechen und erzählte von einem Freunde, der durch gewisse Kreuzungen außerordentliche Ergebnisse erziele. Und auf seine alten Theorien zurückkommend, fügte er hinzu: »O ja, für die Tiere lasse ich mir das ›Wachset und vermehret euch‹ gefallen, wenn wir, die Züchter, um der Neugierde oder um unsers Interesses willen dabei Kupplerdienste verrichten.«
    Er belachte diesen seinen Ausdruck, den er originell fand. Valentine und Constance, die, ein wenig abgestoßen von all dieser wuchernden Fülle von Leben, stumm geblieben waren, wendeten sich nun langsam zum Gehen; und während die Männer ihnen folgten, begann Séguin gegen das Jahrhundert loszuziehen, brachte ohne weiteren Uebergang wieder seine alten Theorien vor. Vielleicht trieb ihn eine geheime eifersüchtige Mißgunst dazu, gegen das siegreiche Leben zu protestieren, welches den ganzen Hof mit seinem Lärm erfüllte. Die Entvölkerung ging wahrlich nicht allzu schnell! Dieses Paris, das sterben wollte, ließ sich dazu gehörig Zeit! Gleichwohl entdeckte er einige gute Anzeichen, denn der Verfall machte überall Fortschritte, in der Wissenschaft, in der Politik, in der Literatur und selbst auch in der Kunst. Die Freiheit sei bereits tot. Indem die demokratische Verfassung die Instinkte des Höherstrebens anfache, bei allen Klassen den Kampf um die Macht entfessele, treibe sie die Gesellschaft dem vollkommenen Zusammenbruch zu. Nur der Pöbel, die Armen und Bedrückten, brächten auf den Düngerhaufen ihres Elends noch Kinder hervor, aus Stumpfsinn und Unverstand. Aber die Bevorzugten, die Reichen, die Geistesmenschen, zeugen immer weniger, so daß man, ehe die Zeit der vollständigen Vernichtung herangekommen sei, auf eine letzte Periode annehmbarer Kultur hoffen könne, wo man unter sich sein werde, sehr gering an Zahl, einige Männer und einige Frauen, die die höchste Verfeinerung erworben haben, nur mehr von Gerüchen leben, nur mehr einen Hauch genießen würden. Aber er fühle sich angewidert, da er nun die Gewißheit habe, diese zu langsam herannahende Zeit nicht mehr erblicken zu können.
    »Wenn das Christentum noch, zu seinem ersten Glauben zurückkehrend, das Weib als unrein, teuflisch und verderblich verdammen würde, so würden wir uns wieder dem heiligen Leben in der Wüste zuwenden, und es wäre schneller ein Ende gemacht. Aber ich bin wütend über diesen politischen Katholizismus, der, nur um seinen Bestand zu sichern, die Schändlichkeit der Ehe toleriert, und so das Abstoßende und Verbrecherische des Kinderzeugens mit seinem Mantel deckt… Gott sei Dank! Wenn ich selbst gesündigt, selbst noch Unglückliche in die Welt gesetzt habe, so habe ich doch den Trost, annehmen zu dürfen, daß diese meinen Fehler gutmachen und selber unfruchtbar bleiben werden. Gaston sagt, daß er nicht heiraten will, daß ein Offizier kein andres Weib haben darf als seine Klinge; und in bezug auf Lucie kann ich wohl ruhig sein, seitdem sie bei den Ursulinerinnen den Schleier genommen hat. Meine Rasse stirbt aus, das ist meine Freude.«
    Mathieu hörte lächelnd zu. Er kannte diesen literarischen Pessimismus. Einmal hatten derlei Betrachtungen, daß die Zivilisation sich im Gegensatze zur Fortpflanzung befinde, daß die geistig Stärksten die verhältnismäßig Unfruchtbarsten seien, ihn tief beunruhigt. Aber seitdem er für die Liebe gekämpft hatte, war die Freude am Schaffen sein fester Glauben geworden, gab ihm die Sicherheit, auf dem rechten Wege zu sein. Er begnügte sich daher, neckend zu sagen: »Nun, und Ihre Andrée mit ihrem Léonce?«
    »Oh, Andrée!« sagte Séguin, sie mit einer Gebärde als nicht zu ihm gehörig wegwerfend.
    Valentine war stehen geblieben, erhob den Blick und sah ihn fest an. Seitdem sie jeder für sich lebten, ohne irgend etwas miteinander gemein zu haben, duldete sie seine sinnlose Roheit, seine Anfälle toller Eifersucht nicht mehr. Und sie hielt ihn auch durch die Furcht vor gewissen Verrechnungen im Schach, die sich aus dem

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