Fruchtbarkeit - 1
auch diese seltene Gäste, da das tätige Leben in Paris ihnen nicht viel Freiheit gewährte. Es war eine innige Freude für alle, diese Rückkehr der schon Ausgeflogenen zum heimatlichen Neste, diese glückliche Möglichkeit, sich vollzählig versammeln zu können, trotz der durch das Leben verlangten Zerstreuung nach allen Seiten. Außerdem waren nur noch die Verwandten geladen, Beauchêne und Constance, Séguin und Valentine, abgesehen natürlich von Madame Desvignes, der Mutter Marthes, der Neuvermählten. Einundzwanzig saßen um den Tisch, aber es waren außerdem noch drei kleine Gäste da, die ganz Kleinen: Léonce, fünfzehn Monate alt, der eben entwöhnt worden war, Benjamin und Guillaume, die noch an der Brust waren; und damit auch sie an dem Feste teilnähmen, hatte man ihre Wagen herangerollt, sie hatten trotz alledem ihren Platz. Im ganzen waren sie also vierundzwanzig, eine runde Zahl, gerade zwei Dutzend. Die mit Rosen bestreute duftende Tafel stand im kühlen Schatten der Bäume, durch deren Laubgitter sich ein goldener Sonnenregen darüber ergoß. Ein triumphierender Julihimmel spannte sein herrlich blaues Zelt von Horizont zu Horizont. Und das weiße Kleid Marthes, die hellen Kleider der großen und kleinen Mädchen, all dieser fröhliche Putz, diese strahlende Jugend und Gesundheit schienen die Blüten dieses grünenden Glückswinkels zu sein. Das Mahl verlief sehr lustig, man stieß schließlich in allgemeiner froher Laune mit den Gläsern an unter allseitigen Glückwünschen für das junge Ehepaar und für alle Anwesenden.
Während der Tisch sodann abgedeckt wurde, verlangte Séguin, der vorgab, sich sehr für Viehzucht zu interessieren, daß Mathieu ihm seine Ställe zeige. Er hatte bei Tische immer nur von Pferden gesprochen, und er wünschte besonders die schweren Arbeitspferde zu sehen, deren außerordentliche Kraft sein Wirt ihm gerühmt hatte. Er bewog auch Beauchêne, sich ihm anzuschließen. Und als die drei Männer sich erhoben, wurden Constance und Valentine von der Lust erfaßt, auch mitzugehen, neugierig, sich in diesem Gutshofe umzusehen, dessen rasches Emporwachsen und üppige Vermehrung ihnen ein stets neuer Gegenstand des Staunens war; sie folgten ihnen, während der Rest der Familie behaglich den Frieden dieses schönen Festnachmittags genoß.
Die Ställe befanden sich zur Rechten. Aber um sie zu erreichen, mußte man den großen Hof überschreiten, von wo man einen Blick auf den ganzen Besitz hatte. Hier blieben alle plötzlich stehen, von Bewunderung festgebannt, so überwältigend lag die Größe des vollendeten Werkes unter der hellen Sonne. Sie hatten diese Erde von Buschwerk überwuchert, verdorrt, unfruchtbar gekannt, und sie sahen sie jetzt ein Meer von Halmen tragen, bedeckt von einer reichen Ernte, deren Segen sich mit jedem neuen Jahre noch vermehrte. Da oben auf dem ehemaligen Sumpfplateau enthielt der seit Jahrhunderten angesammelte Humus eine solche Fruchtbarkeit, daß noch kein Düngen notwendig gewesen war. Zur Rechten und zur Linken erstreckten sich dann die ehemaligen sandigen Hänge, nun reich begrünt, von den Quellen befruchtet, die sie mit immer noch üppiger werdendem Leben tränkten. Und selbst die fernen Wälder im Hintergrunde, die nun nutzbar gemacht, von weiten Lichtungen durchbrochen waren, schienen von vermehrtem Saft überzuquellen, als ob das rings um sie mächtig aufsprießende Leben ihnen verdoppelte Kraft verliehen hätte. Diese Macht und diese Kraft strömte aus dem ganzen weiten Besitze, diesem Werke des schaffenden und zeugenden Lebens, wo die Arbeit der Menschenhand die unfruchtbare Erde geschwängert hatte, so daß sie nährenden Reichtum hervorbrachte für eine erweiterte, die Welt erobernde Menschheit.
Es entstand ein langes Schweigen. Dann sagte Séguin mit seiner leisen, scharfen Stimme und mit einem bitteren Lächeln, das seinem eignen Ruin galt:
»Sie haben ein gutes Geschäft gemacht. Ich hätte das nie geglaubt.«
Dann setzten sie ihren Weg fort. Aber im Viehhofe, in den Kuhställen, den Schafställen verstärkte sich noch der Eindruck von Macht und Kraft. Das Wachstum dauerte fort, immer neue Schöpfungen entstanden hier: die Kühe, die Schafe, die Hühner, die Kaninchen, alles, was hier durcheinander wimmelte, vermehrte sich in unablässiger Folge. Jedes Jahr füllte sich die Arche, wurde sie zu klein, erforderte neue Weiden, neue Gebäude. Das Leben vervielfältigte das Leben, man befand sich inmitten eines in fortwährendem
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