Fruchtbarkeit - 1
Glück vereinigt. Gervais und Claire, die immer Tätigen, beeilten im Verein mit Frédéric die Mägde, die nicht fertig wurden, Kaffee auf die abgedeckte Tafel aufzutragen. Die drei kleineren Mädchen waren unter Beihilfe ihres Ritters Grégoire dabei, eine neue Ausschmückung des Tisches zu erfinden, und wühlten in einem großen Haufen Blumen: Teerosen, blasse und rote Rosen. Einige Schritte entfernt sprachen die Neuvermählten, Denis und Marthe, halblaut miteinander, während die Mutter der jungen Frau, Madame Desvignes, ihnen mit einem unendlich sanften Lächeln zuhörte. Und im Mittelpunkte saß Marianne, strahlend, ihr zwölftes Kind an der Brust, noch immer weiß und frisch, noch immer schön in ihrer heiteren Kraft, in ihrer blühenden Gesundheit, ihrem Benjamin zulächelnd, der sie wieder einmal ganz austrank, während der Vorjüngste, Nicolas, an ihrem andern Knie lehnte, eifersüchtig sich diesen Platz wahrend. Und ihre beiden Schwiegertöchter schienen nur die Fortsetzung ihrer selbst zu sein: Andrée zu ihrer Linken, zu der Ambroise hingegangen war, um mit dem kleinen Léonce zu spielen, Charlotte zu ihrer Rechten, mit ihren beiden Kindern, Guillaume an der Brust, Berthe an sie geschmiegt. Der Glaube an das Leben war hier in einem fortwährend wachsenden Gedeihen, in einem überquellenden Reichtum aufgegangen, in der herrlichsten Blüte der glücklichen Fruchtbarkeit.
Séguin wandte sich in scherzhaftem Tone an Marianne. »Dieser junge Herr ist also der vierzehnte, den Sie stillen?« Sie erwiderte, ihrerseits lächelnd: »Nein, ich will nicht lügen. Es wären wohl im ganzen vierzehn, aber ich habe zwei Fehlgeburten gehabt. Ich werde zwölf gestillt haben, das ist die genaue Zahl.«
Beauchêne, der sein Selbstgefühl wieder erlangt hatte, konnte sich nicht enthalten, sich wieder einzumengen.
»Mit einem Wort, ein Dutzend. Das ist unsinnig!«
»Ich bin der gleichen Ansicht,« sagte Mathieu ebenfalls heiter. »Wenn es nicht unsinnig ist, so ist es doch jedenfalls unmäßig. Wenn wir allein miteinander sind, meine Frau und ich, so gestehen wir uns, daß wir ein bißchen weit gegangen sind. Wir sind auch nicht der Meinung, daß alle unserm Beispiel folgen sollen, o nein!… Aber halt! In der jetzigen Zeit kann man ruhig auch das Maß überschreiten. Zuviel, das ist kaum genug. Obgleich wir das Beispiel übertrieben haben, so würde sich unser armes Land sehr wohl dabei befinden, wenn unsre Torheit ansteckend würde. Und es wäre nur das eine zu fürchten, daß die Klugheit den Sieg über sie davontrage.«
Marianne hörte zu, noch immer lächelnd, während Tränen in ihren Augen aufstiegen. Eine sanfte Traurigkeit beschlich sie, die noch blutende Wunde ihres Herzens hatte sich wieder geöffnet, mitten in der seltenen Freude, hier um sich alle die Kinder vereinigt zu sehen, die sie geboren und mit ihrer Milch genährt hatte.
»Ja,« sagte sie leise, mit bebender Stimme, »es waren zwölf, aber ich habe nur noch zehn. Zwei schlafen dort in der Erde, wo sie uns erwarten.«
Diese Erwähnung des kleinen friedlichen Kirchhofs von Janville, des Familiengrabes, in welchem alle Kinder dereinst Seite an Seite zu ruhen hofften, hatte nichts Schreckliches, war gleich einem sanft trostreichen Versprechen inmitten dieser fröhlichen Hochzeitfeier. Das Andenken der teuren Hingeschiedenen war lebendig in den Herzen, und alle bewahrten davon einen milden Ernst, selbst in der Heiterkeit, obgleich die Zeit die Wunden schon zum Vernarben gebracht hatte. War nicht das Leben undenkbar ohne den Tod? Ein jeder kommt her, um seine Arbeit zu tun, und kehrt dann, wenn sein Tag vorüber ist, wieder zurück, gesellt sich den Aelteren zu, in dem ewigen Schlafe, in welchem die Brüderlichkeit der ganzen Menschheit sich verwirklicht.
Gegenüber diesen spöttelnden Beauchêne und Séguin drängte sich ein ganzer Strom von Worten auf die Lippen Mathieus; er hätte ihnen antworten, hätte triumphieren mögen über die lügnerischen Theorien, die sie in ihrer Niederlage noch aufrechtzuerhalten wagten. Die Furcht vor der übervölkerten Erde, vor der Hungersnot, die aus einem Zuviel an Menschen entstehen könnte, war sie nicht unsinnig? Man brauchte es nur zu machen wie er, neue Lebensmittel zu schaffen, so oft man ein neues Kind in die Welt setzte. Er hätte ihnen Chantebled, seine Schöpfung, zeigen mögen, die Frucht, die unter der Sonne wuchs, in dem Maße, als die Menschen wuchsen. Man würde seinen Kindern nicht vorwerfen können,
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