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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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zu arbeiten, sagt man mir. Wenn er Fehltritte begangen hat, so hat der Unglückliche so viel Entschuldigungsgründe! Und übrigens, sobald er einmal in meinen Händen ist, nehme ich ihn auf mich, er wird nur mehr das tun, was ich will.« Obgleich Sérafine ihre persönlichen Erlebnisse mit Stillschweigen übergangen hatte, kannte ihre Schwägerin sie genug, um zu vermuten, aus welchem Pfuhl sie ihr Alexandre brachte, mit ihren kraftlosen Armen, die nur noch das Leere umfaßten. Sie hatte von ihr lediglich die Geschichte gehört, die er sich zurechtgelegt hatte, daß er sechs Jahre um einer Frau willen eingesperrt gewesen sei, der wirklichen Schuldigen, einer Geliebten, die zu verraten er sich ritterlicherweise geweigert habe. Mit alledem waren dies aber nur sechs bekannte Jahre von den zwölf seines Verschwundenseins, und hinter dem furchtbaren Geheimnis der sechs unbekannten Jahre konnte man alles vermuten, alle Schändlichkeiten, unerhörte Verbrechen. Der Kerker schien für ihn sogar eine wohltätige Rast gewesen zu sein, er hatte ihn ruhiger, gebessert verlassen, entschlossen, sein Leben nicht noch mehr zu zerstören. Und durch Sérafine kultiviert, ausgestattet und unterwiesen, war er beinahe ein annehmbarer junger Mann geworden.
    Morange erhob seine Augen von der Glut, in die er bisher gestarrt hatte.
    »Was wollen Sie also aus ihm machen? Versteht er denn etwas? Hat er eine erträgliche Schrift?«
    »Ja, seine Schrift ist gut. Mit seinen Kenntnissen wird es wohl nicht weit her sein. Deswegen vertraue ich ihn Ihnen an. Sie sollen ihn mir abschleifen, ihn in alles einweihen. Ich will, daß er in ein oder zwei Jahren die ganze Fabrik kenne, als ob er der Herr wäre.«
    Bei diesem Worte, das ihn erleuchtete, erwachte plötzlich die Vernunft in dem Buchhalter. Der genaue Rechner, der er inmitten der Wahngebilde, die seinen Geist verschleierten, geblieben war, protestierte.
    »Hören Sie, Madame, da Sie wünschen, daß ich Ihnen helfe, schenken Sie mir doch Ihr ganzes Vertrauen, sagen Sie mir, welchem Zwecke dieser junge Mann hier dienen soll. Sie können doch nicht daran denken wollen, durch ihn die Fabrik zurückzuerobern, das heißt, die Anteile zurückzukaufen, wieder Eigentümerin und gebietende Herrin zu werden?«
    Und mit unwiderleglicher Klarheit und logischer Schärfe bewies er ihr die Tollheit dieses Gedankens, fügte die Ziffern aneinander, summierte sie zu dem großen Betrage, dessen es bedurfte, um Denis seine Rechte abzukaufen, der hier in seinem Hause war, es als Sieger besaß. »Im übrigen verstehe ich nicht, Madame, warum Sie diesen jungen Menschen lieber wollen als einen andern. Er hat keinerlei gesetzliches Recht, das wissen Sie ja wohl? Er wäre hier nur ein Fremder, und ich würde daher einen tüchtigen, ehrenhaften Menschen, der sich auf die Maschinenfabrikation versteht, bei weitem vorziehen.«
    Constance hatte mit der Feuerzange heftig auf die Scheite losgeschlagen. Sie erhob nun den Kopf und sagte mit leiser, leidenschaftlicher Stimme Morange ins Gesicht: »Alexandre ist der Sohn meines Mannes, er ist der Erbe. Der Fremde ist nicht er, sondern der andre, dieser Denis, der Sohn der Froment, der uns unser Eigentum gestohlen hat… Sie zerreißen mir das Herz, mein Freund, und all mein Blut entfließt mit dem, was Sie mich zwingen, Ihnen zu sagen.«
    In ihr sprach mächtig die Stimme der konservativen Bürgersfrau, die die Erbschaft lieber noch dem Bastard überlassen will, als dem Fremden. Der Frau, der Gattin und Mutter blutete ohne Zweifel das Herz, wie sie bekannte; aber sie opferte sie ihrer Rachsucht, sie wollte nur den Fremden hinausjagen, und wenn es sie ein Stück ihres Fleisches kostete. Und unklar dachte sie, dieser Sohn ihres Mannes, sei er nicht auch ein wenig von ihr, da er von ihm war, dem Manne, von dem sie auch einen Sohn gehabt hatte, den älteren, den Toten? Und im übrigen würde sie sich den Bastard zu eigen machen, ihn lenken, ihn zwingen, nur noch von ihr, für sie zu sein.
    »Sie wollen wissen, wozu ich ihn in diesem Hause verwenden will? Ich weiß es selbst nicht. Sicherlich werde ich bis morgen nicht die nötigen Hunderttausende von Franken finden. Ihre Zahlen sind richtig, es ist möglich, daß wir niemals das Geld für den Rückkauf haben werden. Warum aber nicht trotzdem kämpfen, nicht den Versuch machen?… Und selbst den Fall gesetzt, daß wir unterliegen, um so schlimmer für den andern! Denn ich verspreche Ihnen, wenn dieser junge Mensch mir folgt, so wird mit

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