Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
Grégoire im Rechte ist, Gervais einen Prozeß zu machen, wäre es unsinnig, wenn er es täte, denn über diesem kleinen Interesse steht unser aller Interesse, das Interesse der Familie, welches ihr gebietet, einig, geschlossen, unantastbar zu bleiben, wenn sie unbesieglich bleiben will. Unsre größte Macht liegt in unsrer Gemeinsamkeit. Die Sache ist also ganz einfach. Wir werden in aller Eile essen, und dann fahren wir alle miteinander nach Chantebled. Heute abend noch muß der Friede hergestellt sein. Ich nehme es auf mich.«
    Mathieu hatte ihm lächelnd, glücklich, sich endlich in seinen Söhnen wiederzufinden, seine Umarmung zurückgegeben. Ehe das Essen aufgetragen wurde, gingen sie noch in den Wintergarten hinab, den Ambroise hatte vergrößern lassen, um Feste geben zu können. Er gefiel sich darin, das Haus noch reicher auszustatten, mit fürstlichem Glanz darin zu residieren. Beim Essen entschuldigte er sich, daß er sie als Junggeselle empfange, trotzdem das Essen sehr gut war; er behielt während der Abwesenheit Andrées und der Kinder eine Köchin bei sich, da er eine wohlbegründete Abneigung gegen fremde Küchen hatte.
    »Seit Berthe und die Kinder in Dieppe sind,« sagte Denis, »ist das Haus geschlossen und ich esse im Restaurant.«
    »Das kommt, weil du ein Philosoph bist,« erwiderte Ambroise mit seiner ruhigen Offenheit. »Ich bin ein Genußmensch, wie du weißt. Jetzt trinkt schnell euren Kaffee und gehen wir.«
    Sie kamen um zwei Uhr in Janville an. Ihr Plan war, sich zuerst nach Chantebled zu begeben, wo Ambroise und Denis vorerst mit Gervais sprechen wollten, der sanfterer Natur war und bei dem sie mehr Bereitwilligkeit zur Versöhnung zu finden hofften. Nachher wollten sie zu Grégoire gehen, ihm eine Strafpredigt halten und ihm die gemeinschaftlich festgestellten Friedensbedingungen aufzwingen. Aber je mehr sie sich dem Hofe näherten, desto größer und unüberwindlicher schienen ihnen die Schwierigkeiten. Die Sache würde doch nicht so leicht sein, als sie sich vorgestellt hatten. Sie bereiteten sich auf einen sehr harten Kampf vor.
    »Wie wär’s, wenn wir vorerst einmal zu Mama hinaufgingen,« schlug Denis vor. »Wir wollen sie umarmen, das wird uns Mut machen.«
    Ambroise fand den Gedanken vortrefflich.
    »Ja, ja, gehen wir hinauf, um so mehr, als Mama immer guten Rat gewußt hat. Sie wird uns einen Plan machen.«
    Sie stiegen in den ersten Stock des Wohnhauses hinauf und wendeten sich dem großen Gemache zu, wo Marianne eingeschlossen, auf einer Chaiselongue beim Fenster ausgestreckt, ihre Tage verbrachte. Aber zu ihrer unsagbaren Verblüffung fanden sie sie aufrecht sitzend, vor ihr Grégoire, der ihre beiden Hände hielt, während auf der andern Seite Gervais und Claire freudig lächelnd standen.
    »Was, wie?« rief Ambroise fassungslos. »Es ist geschehen!«
    »Und wir haben daran gezweifelt, es zuwege zu bringen!« sagte Denis nicht minder verblüfft.
    Mathieu, ebenso überrascht wie sie und hochbeglückt, erklärte den Anwesenden, die ihrerseits über das plötzliche Eintreffen der zwei Brüder erstaunt waren, wie das gekommen war.
    »Ich bin diesen Morgen nach Paris gefahren, um sie zu holen, und ich bringe sie nun her, damit sie uns in einer großen allgemeinen Umarmung versöhnen!«
    Daraus erfolgte ein Ausbruch fröhlichen Gelächters. Sie kamen zu spät, die großen Brüder! Man bedurfte weder ihrer Weisheit noch ihrer Diplomatie mehr. Und auch sie freuten sich und fühlten sich erleichtert, daß sie gesiegt hatten, ohne kämpfen zu müssen.
    Marianne saß mit feuchten Augen und überglücklich da, so glücklich, daß sie fast geheilt schien, und erwiderte Mathieu:
    »Du siehst, Liebster, es ist geschehen. Und ich weiß selber noch nicht mehr. Grégoire ist gekommen und hat mich geküßt und hat verlangt, daß ich sogleich Gervais und Claire holen lasse. Dann hat er ihnen aus freien Stücken gesagt, daß sie alle drei verrückt wären, daß sie mir so viel Kummer verursachten, und daß sie sich vertragen müßten. Dann haben sie sich auch geküßt. Es ist vorbei, alles ist wieder gut.«
    Nun fiel Grégoire heiter ein:
    »Hört einmal, ich nehme mich in dieser Sache zu schön aus, ich muß euch die Wahrheit sagen. Nicht ich habe den ersten Entschluß zur Versöhnung gefaßt, sondern meine Frau, Thérèse. Sie hat das beste Herz, zusammen mit dem härtesten Kopf, den man sich denken kann, und wenn sie sich einmal etwas in diesen Kopf gesetzt hat, so muß ich es schließlich

Weitere Kostenlose Bücher